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Cottage Pie im Molly Darcy’s Wien

Aus irgendeinem Grund endete unser Familienurlaub in Wien am Montag, unserem letzten Abend in der österreichischen Hauptstadt, ausgerechnet in einem Irish Pub statt einer echten Wiener Traditionsgastwirtschaft, nämlich im Molly Darcy’s Irish Pub im 1. Wiener Bezirk.

Schon zwei Tage zuvor, am Samstag, hatte ich im Internet für 19 Uhr und sechs Personen reservieren wollen, aber anders als gedacht, konnte ich lediglich eine Reservierungsanfrage senden. Sehr skurril.

Die E-Mail, die ich erhielt, kam automatisiert und sagte:

Thank you for requesting a table at Molly Darcys!

[Reservierungsdetails]

Auto System E-Mail —> your request reached our inbox and will be answered shortly during our opening hours.

this is not a confirmation of reservation!

See you soon,
Molly Darcys

Ja, nun. Man gut, dass ich halbwegs flüssig Englisch verstehe, denn meine Schwiegereltern wären aufgeschmissen gewesen. Immerhin kam tags darauf auch die Reservierungsbestätigung.

Die Website des Irish Pubs ist übrigens nicht gerade besonders günstig gestaltet, wenn man vorab einfach mal einen Blick auf die Speisekarte werfen will. Denn die ist auf der Website lediglich in Form zweier Bilder hinterlegt (Vorder- und Rückseite der gedruckten Speisekarte) – und zwar in den geradezu bizarren Abmessungen von 3283 × 1753 Pixeln. Das ist selbst für das Display meines MacBook Pro viel zu groß, denn das kann nur 1800 × 1169 Pixel darstellen. Auf einem iPhone ist das komplett unbrauchbar.

Wie auch immer. Los geht’s mit dem Ambiente.

Das Ambiente

  • Schild über der Eingangstür des Molly Darcy’s in Wien
  • Eingangsbereich des Molly Darcy’s in Wien
  • Außenbereich des Molly Darcy’s in Wien
  • Schankbereich mit Tresen, Stehtischen und Barhockern im Molly Darcy’s in Wien
  • Blick in den Schankbereich im Molly Darcy’s in Wien
  • Tische und Stühle vor den Toiletten im Molly Darcy’s in Wien
  • Toilettentüren im Molly Darcy’s in Wien

Das Molly Darcy’s ist das, was wir als Eckkneipe bezeichnen würden. Es befindet sich nämlich in einem Eckhaus. Wir betraten das Molly Darcy’s nicht durch den Haupteingang am Eck, sondern durch den, der vor dem bereits jetzt, kurz vor 19 Uhr, gut gefüllten Außenbereich lag. Damit standen wir im leeren Gastraum, der sich aber nach und nach noch füllen sollte.

An der Theke empfing uns eine junge Dame, die sich als unsere Bedienung für den Abend herausstellen sollte, und führte uns in den Bereich hinter dem eigentlichen Haupteingang. Dort gab es einige wenige Tische mit gepolsterten Sitzbänken, die allerdings eigentlich nur für vier Personen geeignet waren. An einem, auf dem ein »Reserviert«-Schild stand, waren an das Kopfende noch zwei Stühle gestellt – unser recht beengter Tisch für den Abend. Meine ziemlich dünne Schwiegermutter und meine Frau (die natürlich ebenfalls gertenschlank ist) setzten sich hierher und gönnten dem Rest die Bänke.

Wie nicht anders zu erwarten, versprühte auch dieses Irish Pub den Charme eines – nun ja, eines Irish Pubs halt. Außer in Irland sehen die überall gleich aus: dunkles Holz, Glaselemente, Plakate mit Zitaten irischer Intellektueller, irgendwelche wahllosen Bücher auf Regalbrettern, Schiefertafeln mit irischen Biersorten und Hinweisen auf das Pub Quiz, irische Whiskey-Folklore wie Jameson-Fässern vor den Toiletten, Jameson-Spiegel an der Wand. Und wie jedes Irish Pub wirkte auch dieses ein wenig abgerockt. Aber das, so glaube ich, ist irgendwie Absicht, denn das Abgerockte wirkt in jedem Irish Pub sehr gezielt. Denn wie in jedem Irish Pub fühlte ich mich sofort sauwohl.

Der Service

Noch so ein Ding, das ganz gezielt in allen Irish Pubs der Welt gemacht wird: Der Service spricht Englisch mit einem. Auch wenn alle Beteiligten eigentlich muttersprachlich Deutsch sprechen – so wie hier. Allerdings war das bei unserer Bedienung ausgesprochen witzig. Denn zu Beginn sprach sie Deutsch mit uns – um dann später ganz plötzlich und quasi mitten im Satz ins Englische zu wechseln. Das verwirrte sie selbst ein bisschen.

Abgesehen von dieser lustigen Episode gibt es absolut nichts, was nicht perfekt gelaufen wäre. Von der Begrüßung bis zur Verabschiedung war sie für uns (und alle anderen Gäste im Laden!) da. Sie nahm unsere Bestellungen auf, brachte kurz darauf die Getränke (ich hatte ein Pint Stringbow Cider. Das kommt aus England! In einem Irish Pub!). Wiederum kurz darauf schleppte sie zusammen mit einem Kollegen (der ein wirklich kerniges Englisch sprach – ich nehme an, dass der Mann tatsächlich ein Ire war) unsere Speisen herbei.

Der Tisch, der eigentlich für vier Personen gedacht war, war dann erst einmal knüppelvoll gestellt.

Nachdem wir fertig gegessen hatten, trug sie schleunigst alles wieder davon, damit wir wieder Platz auf dem Tisch hatten, ließ uns dabei aber nie auf dem Trockenen sitzen. Alles in allem: Liebes Molly Darcy’s, haltet diese Frau fest. Die ist toll.

Die Bestellung

Mein Sohn und mein Schwiegervater hatten sich Schnitzel Wiener Art bestellt (oder wie es auf der Karte heißt: Schnitzel Vienna Style), und mein Sohn war restlos begeistert. Obwohl es sich um Schweineschnitzel handelte, war das anscheinend das beste Schnitzel, das er in den letzten 5 Tagen gegessen hatte. In Wien. In einem Irish Pub. Und tatsächlich: Es war unglaublich gut souffliert – die Panade schmiegte sich in großen, fluffigen, luftigen Wellen um die zwei großen Fleischstücke herum. Auch seine Pommes fand er super, und die Preiselbeersoße hat er ebenfalls vollkommen leer gemacht. Probieren durfte ich allerdings nicht.

Meine Schwägerin und meine Frau hatten sich Fish & Chips bestellt, die ebenfalls fantastisch waren (da durfte ich wenigstens mal probieren). Der Fisch war in einem tollen Teig ausgebacken, die Chips waren (glücklicherweise) knusprig frittiert, und nicht blass und schlapp ein bisschen in Öl gekocht, wie das in England üblich ist. Und dazu gab es eine unglaublich gute Tartarsoße. Meine Schwiegermutter begnügte sich mit der Tagessuppe, einer Brokkolicremesuppe, die sie zusammen mit krossem Toast bekam. Die war wohl auch ziemlich gut.

Aber ich hatte mir etwas bestellt, was wenigstens irischen Ursprungs war: Cottage Pie.

Cottage Pie mit gemischtem Salat

Cottage Pie mit Salatbeilage im Molly Darcy’s in Wien
Cottage Pie mit Salatbeilage im Molly Darcy’s in Wien

Im Englischen bezeichnet »Pie« ein Gericht, das aus einer Füllung (herzhaft oder süß) besteht, die von einer Teighülle umschlossen oder zumindest mit einem Teigdeckel bedeckt ist. Pies können sowohl herzhaft (zum Beispiel mit Fleisch, Fisch, Gemüse) als auch süß (zum Beispiel mit Obst oder Creme) gefüllt sein.

Der Cottage Pie ist herzhaft. Es handelt sich bei ihm um einen Auflauf aus Hackfleisch vom Rind und variablem Gemüse (meist Karotten, Erbsen, Zwiebeln, Sellerie und Lauch). Die Masse ist mit Thymian, Rosmarin, Worcestershire Sauce (siehe Exkurs unten), Salz und Pfeffer abgeschmeckt und wird mit einer Schicht aus Kartoffelpüree abgedeckt, die im Ofen zur Kruste wird. Oft wird der Pie auch mit Cheddar überbacken, aber das ist optional. Wenn Lammfleisch statt Rind verwendet wird, heißt dasselbe Gericht übrigens »Shepherd’s Pie«.

Exkurs zur Aussprache von »Worscestershire Sauce«

Worcestershire Sauce (auf dem deutschen Markt oft nur als »Worcestersoße« angeboten) wird nicht etwa »Wortschesterschaiersoße« (bzw. »Wortschestersoße«) ausgesprochen, sondern /ˈwʊstə ʃə sɔːs/. Das klingt etwa wie: »Wuster-scha-Soß« (kurzes »u«, das »r« wird kaum ausgesprochen). Wer besonders lustig sein will, kann aber auch gern »Wash your sister sauce« sagen. Exkurs Ende.

Sowohl England als auch Irland beanspruchen den Cottage Pie als Teil ihrer nationalen Küche, was kein Wunder ist, da Irland zur Zeit der Entstehung des Gerichts Teil eine englische Kolonie war. Die Bezeichnung »Cottage Pie« tauchte erstmals Ende des 18. Jahrhunderts auf, als Kartoffeln zu einem Grundnahrungsmittel für die ärmeren Bevölkerungsschichten in Großbritannien und Irland wurden.

Ursprünglich, als der Pie noch ein Arme-Leute-Essen war, wurden Fleischreste mit Gemüse und Kartoffeln kombiniert, um ein günstiges und sättigendes Essen zu schaffen. Jetzt kann man es in Wien für 16,60 Euro im Molly Darcy’s Irish Pub bestellen, und er kommt mit einem ziemlich großen Salat.

Der Salat

Erinnert ihr euch noch an den Salat, den ich im Huber’s hatte? Der Salat hier im Molly Darcy’s war im Prinzip nicht viel mehr – Blattsalat halt. Aber guckt euch an, um wie viel schöner er angerichtet ist:

Cottage Pie mit Salatbeilage im Molly Darcy’s in Wien
Cottage Pie mit Salatbeilage im Molly Darcy’s in Wien

Gurken und Tomaten lagen obenauf, ein paar Raspeln einer Möhre, Petersilie und immerhin ein Dressing, das nach was schmeckte. Ob das hausgemacht war, bezweifle ich zwar, aber das war schon okay. Ein Pub ist keine Topgastronomie.

Der Salat war frisch und superknackig, und ich habe ihn mit großem Appetit verspeist, während ich darauf gewartet habe, dass der Glutofen mit dem Cottage Pie daneben wenigstens etwas abkühlt.

Ich wartete vergebens und habe mir trotzdem den Schnüssel verbrannt.

Aber der Salat bekommt von mir schon einmal eine solide Schulnote 2.

Der Cottage Pie

Goldgelb und dampfend stand sie vor mir, die ziemlich große Schale mit dem innerlich noch immer brodelnden Cottage Pie. Schauen wir uns mal die einzelnen Bestandteile an.

Der Käse

Käse ist bei Cottage Pie optional. Wenn ich selbst Cottage bzw. Shepherd’s Pie mache, lasse ich ihn normalerweise weg. Stattdessen ziehe ich mit der Gabel Furchen in die Kartoffelbrei-Decke, was dann beim Backen zu unterschiedlich stark gerösteten »Bergen« und »Tälern« mit unterschiedlichem Mundgefühl führt. Aber auch mit Käse mag ich das Gericht sehr gern.

Die große Scheibe Cheddar, die hier obendrauf lag, war zunächst etwas zerlaufen und dann knusprig geworden. Entweder war der Pie auf den Punkt genau aus dem Ofen gekommen, sodass der Käse nicht verbrannt ist, oder er ist erst nach dem Ofen draufgelegt und mit dem Flambierbrenner behandelt worden. Einerlei – er traf exakt den Sweetspot zwischen Knusprizität und elastischen Käsefäden, sobald ich ihn mit dem Löffel durchgestoßen hatte. Fantastisch!

Cottage Pie im Molly Darcy’s in Wien
Cottage Pie im Molly Darcy’s in Wien

Der Kartoffelbrei

Unter dem Käse sorgte die Decke aus Kartoffelbrei dafür, dass ich bis zum Ende eine richtig heiße Füllung hatte. Da hier alles mit Käse überbacken war, gab es auch keine Gabel-Furchen in der Decke.

Der Kartoffelbrei war wirklich schön fluffig, locker geschlagen und nur leicht gesalzen. Ich hatte auch das Gefühl, dass viel Butter, vielleicht sogar Sahne, in den Brei eingearbeitet war, was immer ein gutes Zeichen ist.

Und so muss ich sagen, dass der Kartoffelbrei vorzüglich war. Allerdings war das ganz schön viel Brei und ganz schön wenig Füllung.

Die Füllung

Das übliche Verhältnis von Füllung zu Kartoffelbrei bei Cottage Pie liegt bei etwa 1 zu 1, höchstens bei 1 zu 1,5. Hier jedoch betrug die Füllung vielleicht ein Drittel der Menge des Gerichts. Die Decke aus Kartoffeln war hier also ungewöhnlich dick, und das enttäuschte mich zunächst etwas.

Auch war die Füllung aus irgendeinem Grunde geradezu nass. Sie bestand aus ziemlich wenig Fleisch und recht viel Gemüse, was zwar dem traditionellen Arme-Leute-Essen entspricht, aber heute nicht mehr zeitgemäß ist. Heute sollten sich Fleisch und Gemüse in der Füllung eines Cottage Pie in etwa die Waage halten.

Cottage Pie im Molly Darcy’s in Wien
Cottage Pie im Molly Darcy’s in Wien

Das Gemüse bestand aus zwei Sorten Möhren (orange und gelb), aus Erbsen, grünen Bohnen, Lauch und Zwiebeln, soweit ich das identifizieren konnte. Das ist ein hübscher bunter Strauß an Gemüse, was mir sehr gefallen hat.

Anfangs hatte ich das Gefühl, die Füllung sei gar nicht gewürzt. Glücklicherweise entpuppte sich das als Trugschluss – ich hatte wohl nur in dem Moment einfach zu viel Kartoffelbrei auf dem Löffel. Tatsächlich war die Füllung sogar wunderbar kräftig gewürzt, so wie es sein sollte.

Je mehr ich vom Gericht aß, desto weniger doof fand ich übrigens auch die Nässe, die sich am Boden der Schale gesammelt hatte; denn der viele Kartoffelbrei wäre ganz ohne diese Flüssigkeit schwer zu ertragen gewesen.

Insgesamt bin ich recht zufrieden mit diesem Cottage Pie gewesen. Ich hatte zwar zuvor schon mehrfach bessere Pies dieser Art gegessen, aber das war auch immer entweder in Irland oder Schottland gewesen. Dafür, dass das hier ein Irish Pub in der Alpenrepublik und das Gericht auch nicht besonders teuer war, würde ich sagen: Das war total okay.

Abzüge gibt es allerdings für das ungünstige Verhältnis von Füllung zu Kartoffeln sowie für den relativ geringen Anteil an Fleisch in der Füllung, und so gebe ich diesem Cottage Pie als Schulnote eine glatte 3.

Das Fazit

Würde ich noch einmal ins Molly Darcy’s gehen? Aber absolut! Das Ambiente ist wunderbar, der Service ist toll, und rings um mich herum waren alle mit ihrem Essen mehr als nur zufrieden. Ich mäkele hier ja mit geradezu böswilliger Absicht an allem herum, was ich finde.

Beim nächsten Mal würde ich vielleicht das Irish Stew ausprobieren, oder auch die Fish & Chips. Und den Cottage Pie? Ja, auch den würde ich wieder bestellen, allein schon aus dem Grund, weil ich das Zeug so wahnsinnig gern esse und es so wahnsinnig selten angeboten wird.

Alaskaseelachs mit Kartoffelbrei und Möhren im Clementinenhaus

Und plötzlich liegt man im Krankenhaus und lässt sich den Blinddarm entfernen. Das eröffnet unerwartet neue Perspektiven, was Essen angeht.

Ich liege im Clementinenhaus in Hannover und bekomme Schonkost, konkret: Alaskaseelachs mit Kartoffelbrei und Möhren. So war es angekündigt. Ich bekam das hier:

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Nicht euer Ernst!? Püriert und in Form gepresst?? Ihr habt mir den Blinddarm entfernt, nicht die Zähne! (Oder? Moment, ich gucke kurz im Spiegel nach … nö, Zähne noch da.)

Wider Erwarten schmeckte dieses Assortissement an Nahrung im Astronautenschick jedoch erstaunlich gut, wenn man mal vom geringen Kauwert absieht. Ich will mich also überhaupt nicht über das Krankenhausessen hier im Clementinenhaus beschweren. Im Gegenteil. Aber ich freue mich darauf, dass es ab heute Abend für mich wieder was zu beißen gibt, nicht nur was zu lutschen.