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A&W – die beste Burgerkette der Welt?

Was ist das Nationalgericht Kanadas? Genau: Poutine. Und was sonst noch? Naja, da unterscheidet sich das Land nicht so wirklich von seinem südlichen Nachbarn. Nordamerikanische Cuisine besteht vor allem aus Burgern, und preiswerte Restaurants mit verlässlich einschätzbarer Qualität sind vornehmlich als Fast-Food-Ketten zu haben. Das ist langweilig, aber nicht zu ändern. 

Als wir 2023 zum ersten Mal mit dem Teenager-Sohn nach Kanada geflogen sind, war schnell klar, dass McDonald’s, Burger King und all die anderen auch bei uns vertretenen Fast-Food-Ketten tendenziell eine noch miesere Qualität aufwiesen als in Deutschland. Muss man sich mal vorstellen. Noch schlechter!

Also haben wir uns bei unserer Rundreise auf eine andere, kanadische Kette eingeschossen: A&W. Deren Burger schmeckten uns wirklich gut und fühlten sich darüber hinaus irgendwie auch noch ehrlicher an. Als wir damals Kanada wieder verließen, haben wir diese Kette in Deutschland irgendwie tatsächlich vermisst. Und so war das, worauf sich der Sohn im Sommer 2025 am meisten freute, als wir wieder unsere Familie in British Columbia besuchen flogen: A&W. Wochenlang hat er sich im Vorfeld darauf gefreut.

Wir waren während unseren zwei Wochen recht häufig in verschiedenen Filialen der Kette, allesamt in British Columbia, allesamt zwischen Vancouver und dem Örtchen Powell River an der Pazifikküste. Und weil ich nicht für jedes Menu-Item einen eigenen Blog-Eintrag produzieren will, kommt alles, was ich zu A&W zu sagen habe, hier herein.

Das Ambiente

Wie bei allen Fast-Food-Lokalen kann man Glück haben. Manche Filialen sind hübsch gelegen, haben draußen Sitzgelegenheiten, Sonnenschirme und schattenspendende Bäume, so wie diese auf dem Foto in der Bute St in Vancouver. Oder man kann Pech haben. Dann hat man einen tristen Laden in einer langweiligen Strip Mall in Sechelt. Oder man kann riesiges Pech haben. Dann hat man nur eine olle Theke in einem Food Court, etwa in der Abflughalle des Vancouver Airport oder in der Mall Metropolis in Metrotown,

Anders als in anderen Franchise-Restaurants sah keine Filiale aus wie die andere – das Mobiliar unterschied sich, die Ausstattung unterschied sich, die Aufteilung unterschied sich, die Theke unterschied sich. Insofern fällt es mir schwer, hier etwas über das Ambiente zu sagen – jede Filiale ist anders, und in diesen Artikel fließen meine Erfahrungen von mindestens sechs verschiedenen Filialen rein.

Russet Thick-Cut Fries

Die Russet Thick-cut Fries, die bei A&W serviert werden, sind immer eine sichere Bank. Mal werden sie in Tütchen und mal in Drahtgittern serviert, abhängig von der Filiale, in der man sich gerade befindet. Am ersten Abend bekam ich ein Tütchen.

A&W verwendet Russet-Kartoffeln, die gerade für Pommes frites eine ausgezeichnete Wahl sind. Die Sorte ist besonders stärkehaltig, was für ein mehliges, weiches Inneres bei gleichzeitig knusprigem Äußeren sorgt. Anders als bei anderen Fast-Food-Ketten werden sie recht dick geschnitten, und zwar inklusive ihrer Schale. Die Schale verstärkt den schönen kartoffeligen Geschmack der Fritten. 

Das markanteste Merkmal der A&W-Pommes in Kanada ist aber nicht die Kartoffel selbst, sondern das Gewürz, das man in der Küche dazugibt. Denn A&W nutzt nicht einfach schnödes Salz, sondern verleiht seinen Pommes durch ein spezielles Gewürzsalz ein völlig anderes Geschmacksprofil als das, was man so kennt. Es enthält neben Salz auch Zucker, Paprika, Kurkuma, Zwiebel- und Knoblauchpulver. Der Witz ist, dass es ziemlich sparsam appliziert wird – es hebt also den Geschmack der Beilage, ohne sich in den Vordergrund zu drängeln. Toll!

Übrigens, wenn ihr auf Frittiertes verzichtet, weil das Zeug so wahnsinnig ungesund ist: Recht habt ihr! Aber hier kommt die gute Nachricht: A&W verwendet ausschließlich Rapsöl zum Frittieren. Rapsöl weits von allen gängigen Speiseölen den niedrigsten Anteil an gesättigten Fettsäuren (ca. 7%) auf, ist aber reich an einfach ungesättigten Fettsäuren und sogar Omega-3-Fettsäuren. Nun kommt bei dieser Kette nicht einfach ein x-beliebiges Rapsöl in die Fritteuse, sondern ein spezifisches High-Oleic Canola Oil (hoch ölsäurehaltiges Rapsöl). Der dafür verwendete Raps ist eine Züchtung, dessen Öl erheblich hitzebeständiger als normales Rapsöl ist. Das eignet sich besser zum Frittieren, ohne dass es chemisch gehärtet werden muss. Der Effekt ist, dass das A&W-Frittierfett nicht nur reich an ungesättigten und Omega-3-Fettsäuren ist, sondern darüber hinaus auch noch keine (keine!) ungesunden Transfette enthält. Und das ist schon krass für Frittenfett.

Für mich sind die Pommes bei A&W herausragende 9,5 von 10 Punkten.

Poutine

Ich erwähnte eingangs schon, das kanadische Nationalgericht ist Poutine. Die traditionelle Poutine ist eine ziemlich krude Mischung aus Pommes frites, Käsebruch und Bratensoße und stammt aus der franko-kanadischen Provinz Québec, und die klassische Zubereitung erfordert, dass die heiße Bratensoße bei Raumtemperatur über den Käsebruch gegossen wird, damit dieser erwärmt wird, ohne vollständig zu schmelzen. Die Pommes frites sollen gleichzeitig ihre Knusprigkeit behalten.

Bis vor Kurzem war diese Mixtur hierzulande nahezu unbekannt – bis dann die Kette Frittenwerk auftauchte und Poutine in ihren Filialen auch in Deutschland anzubieten begann. Allerdings gibt es da teils noch, äh, ausgefallenere Kreationen als die Standard-Poutine schon ist. 

Die Basis der A&W-Poutine sind die Russet Thick-cut Fries. Zu denen hatte ich mich ja schon oben geäußert (9,5 von 10).

Darüber wird dann Käsebruch gestreut (»Cheese Curds«). Dabei handelt es sich um jungen, ungereiften weißen Cheddar, im Grunde die Vorstufe zu festem Cheddar-Käse, bevor dieser gepresst und gereift wird. Das ist der Standard für authentische Poutine. Im Gegensatz zu Mozzarella (der oft als billiger Ersatz in schlechten Poutines verwendet wird und Fäden zieht) behalten echte Cheddar Curds ihre Form besser, wenn die heiße Soße darüber gegossen wird, und schmelzen nur leicht an, anstatt komplett zu zerlaufen.

Diese Curds haben insgesamt eine feste, leicht gummiartige Konsistenz, die beim Kauen idealerweise quietschen soll (»squeaky cheese«). Wir kennen das zum Beispiel auch von Halloumi. Das soll ein Qualitätsmerkmal für die Frische des Käses sein. Ich allerdings finde es schaurig, wenn Käse Quietschgeräusche von sich gibt. Mir laufen jedes Mal eiskalte Schauer den Rücken runter, weshalb ich auch einfach keinen Halloumi essen kann. Glücklicherweise für mich (und unglücklicherweise für A&W) quietschten die Cheese Curds nicht, die man mir beim A&W im Metropolis Foodcourt in Burnaby, B.C. servierte. Spricht also nicht für die Qualität des Käses.

Die Bratensoße dieser Poutine schien mir auf Hühnerbasis gemacht zu sein, kam allerdings so dermaßen eindeutig aus der Tüte, dass es keinen Spaß mehr machte. Einerseits war sie extrem salzig, gleichzeitig aber auch unfassbar flach und langweilig. Das ganze Gericht war völlig überlagert von diesem Salzanteil und kaum genießbar. Ich habe dann auch die Hälfte stehen gelassen. Tipp an A&W: Würzt eure Bratensoße statt mit Salz lieber mit einer hellen Sojasoße, und für ein bisschen mehr aromatische Tiefe gebt doch ein paar Spritzer Worcestershire Sauce hinzu. Oder meinetwegen Maggi, for fucks sake.

Die Poutine kostet 6,99 CAD (ca. 4,30 Euro) und hat fette 610 Kalorien. Auf einer Skala von 0 bis 10 war das eine knappe 2, und das auch nur wegen der Pommes. Denn ein paar habe ich ohne Bratensoße erwischen können.

Lemonade

Wenn ihr in Deutschland das Logo von A&W auf einem Produkt seht, dann habt ihr vermutlich eine Dose Root Beer erspäht. Das gibt es hier nicht nur in sehr gut sortierten Supermärkten, sondern sogar bei mir im Dorf-Rewe.

Root Beer ist einer der ältesten Softdrinks Nordamerikas. Es ist alkoholfrei und kohlensäurehaltig, schmeckt süß und kräuterig und hat ein ziemlich unverwechselbares Aroma. Die geschmacksgebenden Hauptzutaten sind Wintergrün, Vanille, Extrakt aus Sassafras-Wurzeln (Wurzel = Root), Wacholderbeeren, Zuckerrohr und Kräuter, und das Geschmacksprofil wird oft als »cremige Süße« beschrieben. Es gibt sogar Spezialitäten mit Root Beer, etwa das Root Beer Float, bei dem das Getränk mit einer Kugel Vanilleeis serviert wird.

Das Root Beer von A&W ist in ganz Nordamerika die beliebteste Marke.

Ich hasse Root Beer. 

Ich finde es absolut widerlich und nur noch von Cream Soda in seiner Abscheulichkeit übertroffen. Darum mache ich immer einen riesigen Bogen darum.

Was A&W jedoch neben Root Beer und dem üblichen internationalen Konzern-Softdrink-Zeugs ebenfalls im Programm hat, ist schlichte Limonade. Nachdem ich die für mich entdeckt hatte, ging nichts mehr ohne. 

Die Limonade von A&W kommt – wenn man Glück hat – in eisgekühlten Gläsern, ansonsten in den üblichen Pappbechern. Sie schmeckt frisch und zitronig und ist eher sauer als süß. Zutaten sind nach meiner Recherche nichts weiter als Wasser, Rohrzucker, Zitronensaftkonzentrat, Zitronenmark und natürliche Aromen. Die Menge an Kohlensäure im Getränk ist eher gering, was das Außergewöhnliche an diesem Getränk noch einmal betont. 

Eine übliche Portionsgröße hat 240 cal und kostet 4,09 CAD (etwa 2,50 Euro).

Für mich hat dieses einfache Getränk eine klar 11 von 10 Punkten verdient. Ich liebe es. 

Die Hauptattraktionen

Aber kommen wir nun von den beilagen und Getränken zu den Hauptattraktionen von A&W: den Burgern. Die A&W-Burger sind nach Familienmitgliedern geordnet: Es gibt den Teen Burger, den Papa Burger, den Mama Burger und so weiter. Dazu gibt’s dann noch ein paar andere, die nicht in diese Familien-Logik fallen, so wie der Spicy Habanero Chicken Burger. Mit dem beginne ich mal, denn er war auch chronologisch der erste Burger meiner Kanada-Reise 2025. 

Spicy Habanero Chicken Burger

Am ersten Abend, ja wirklich, gleich am ersten Abend nach unserer Ankunft in Vancouver und dem Einchecken ins Hotel, mussten wir sofort auf Verlangen des Sohnes in einem A&W einkehren. Ich entschied mich dort für den Spicy Habanero Chicken Burger. Überproportional zum Klimawandel beitragen, indem ich Beef esse, würde ich vermutlich noch oft genug in den nächsten Tagen – damit musste nicht gleich heute anfangen. 

Ich freute mich auf was Scharfes, denn ich esse gerne scharf – spicy und Habanero war also genau mein Ding.

Ich selbst baue Chilis in meinem Garten an und verarbeite sie zu Chilipulver, Chutneys und ähnlichem. 2025 war die Thai Rawit dabei (auch bekannt als Bird’s Eye Chili oder Prik Khee Nu), die erheblich milder als die Habanero ist. Sie rangiert zwischen 50.000 und 120.000 SHU, wobei das bei mir im Garten bisher tendenziell am unteren Ende lag. Meine Hauptsorte ist seit Jahren schon die Chilisorte Rotes Teufele, die abhängig vom Jahrgang ausgesprochen mild oder fürchterlich scharf sein kann. Angeblich erreicht sie maximal 20.000 SHU, aber meine 2024er-Ernte dürfte zumindest gefühlt zehn Mal schärfer gewesen sein. 

Ich mag es also scharf.

Die Habanero gehört zu den schärfsten handelsüblichen Chilisorten weltweit und erreicht 100.000 bis 350.000 Scoville Heat Units (SHU). Einzelne Züchtungen wie die Habanero Red Savina liegen sogar fast bei 600.000 SHU. Neben ihrer feurigen Schärfe gefällt mir bei Habaneros vor allem ihr tropisch-fruchtiges Aroma.

Man kann sich also ausmalen, wie enttäuscht ich war, als ich in den Spicy Habanero biss. Denn der war alles andere als spicy. Ich würde den Geschmack eher als pikant beschreiben. Und pikant ist eher so ein bisschen herzhaft-süßlich, also vom Schärfegrad eher so wie eine dieser armseligen »Ungarisch«-Grillsoßen aus dem Supermarktregal.

Die Soße auf dem Chicken-Burger schmeckte so, als hätte jemand 100 ml Mayo mit einem Esslöffel Puderzucker und einem halben Teelöffel Harissa verrührt und glattgestrichen. Nie im Leben war hier eine Habanero im Spiel, und darum habe ich gegoogelt. Aber auf der Zutatenliste der Soße steht auf der A&W-Seite tatsächlich: Habanero peppers. An achter Stelle der Auflistung.

Das war für mich auf jeden Fall nicht genug, um bei mir als spicy und Habanero durchzugehen. Auf einer Schärfeskala von 1 bis 10 gebe ich dem Ding maximal 2 Punkte, mit ein bisschen gutem Willen vielleicht auch 3 Punkte. Aber wenn ich Habenero lese, will ich wenigstens eine 7. Ich will, dass meine Lippen brennen.

Das taten sie nicht, schon deshalb nicht, weil die dicken Tomatenscheiben, der Salat und das Bun sehr gut darin waren, auch noch den letzten Rest Schärfe abzumildern. 

Versteht mich nicht falsch: Alles in allem war der Burger lecker (locker 7 von 10 Punkten), aber ich habe einfach viel mehr Pep erwartet. Immerhin ist dieser Chicken-Burger recht kalorienarm und günstig. Er enthält nur 520 Kalorien (weniger als die Poutine!) und kostet 9,29 CAD, das waren etwa 5,70 Euro.

Meine Frau hatte an diesem Abend zufällig den Burger gehabt, den ich gern gehabt hätte, nämlich den…:

Nashville Hot Chicken Cruncher

Nach meiner Enttäuschung mit dem lappigen Spicy Habanero Chicken Burger habe ich bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit den Burger gewählt, der die Augen meiner Frau hatte hervortreten lassen. 

Der Nashville Hot Chicken Cruncher von A&W besteht aus ziemlich wenigen Komponenten: einem knusprigen Hähnchen-Patty, das mit einer scharfen Nashville-Soße glasiert ist, Mayonnaise, süßen Gürkchen und einem getoasteten, weichen Brioche-Brötchen.​ Kein Salat, keine Tomaten, kein Schnickschnack. Schon der Duft ließ mich Einiges erwarten.

Schon beim ersten Bissen wurde der Unterschied zum Habanero-Burger klar: Das Ding hier ist scharf. Ich spürte die Schärfe schon in meiner Nase, bevor ich überhaupt abgebissen hatte. Nun ist es so, dass die Schärfe mich nicht aus den Socken gehauen hat. Sie war für meine Verhältnisse während des Essens gut verträglich.

Während des Essens. Aber dazu später mehr.

Kommen wir zunächst zum Huhn. Das Fleisch war super knusprig, obwohl das ganze Ding mit der scharfen Nashville-Sauce glasiert war. Ich hatte den Eindruck, dass sie in die Panade des Hähnchens eingezogen war, ohne sie matschig zu machen.​ Muss man auch erst einmal hinbekommen. Gleichzeitig war so viel davon da, dass sie mir förmlich an den Fingern herabfloss.

Der Schärfe wirkte die einer üppige, dickflüssige Mayonnaise hervorragend entgegen, die zwischen Bun und Huhn verstrichen war. Auch das süßliche, ziemlich leckere Brioche-Bun war ein hervorragender Kontrapunkt zur Schärfe. Zusätzlich lagen noch säuerliche Gürkchen auf dem Sandwich, die aber geschmacklich in der scharfen Glasur ziemlich untergingen.

Der Nashville Hot Chicken Cruncher bringt 720 Kalorien an den Start und kostete 10,99 CAD, was etwa 6,80 Euro entspricht. Und er war jeden Cent wert, denn obwohl ich erst dachte, dass die Schärfe total okay sei, begann mir ziemlich schnell der gesamte Mund zu brennen. Nach 15 Minuten ließ das Brennen dann nach. Und das ist genau das, was ich mir wünsche, wenn ich ein Gericht bestelle, das spicy oder hot im Namen trägt.

Für mich hat der Nashville Hot Chicken Cruncher 9,5 von 10 Punkten verdient – viel besser geht es kaum.

Papa Cheese Burger

Wie oben schon geschrieben, besteht die Hauptlinie der A&W-Burgerfamilie aus, nun ja, Familienmitgliedern. Ich bin ein Papa aus der Generation X, der familiär bedingt bloß über Boomer-Humor verfügt. Deshalb dachte ich mir: »Komm zu Papa!« und bestellte einen Papa-Burger mit Käse. Der Käse ist immer optional und kostet 0,75 CAD (etwa 0,47 Euro) zusätzlich zu den 7,09 CAD (4,40 Euro).

Sprich: Für das fette Teil im Bild habe ich 7,84 CAD oder 4,87 Euro ausgegeben. Nicht einmal 5 Euro!

Das Bild zeigt’s schon einigermaßen gut, woraus sich der Burger zusammensetzt. Zwischen den Hälften des getoasteten Sesambrötchen​s ist er von unten nach oben so aufgebaut: Senf, Ketchup, eine dicke, rohe Zwiebelscheibe und Gewürzgurken (die kleinen Halunken verstecken sich auf der abgelegenen Seite des Burgers), zwei Rindfleisch-Patties (in meinem Fall mit dem zusätzlichen Käse); ganz oben findet sich die hauseigene Teen-Soße, die hier ebenfalls nicht gut zu erkennen ist. Langweiliger Salat oder triefende Tomaten – das ist nix für Papas und fehlt deshalb. Derartige Vitamine brauchen nur Teens, die müssen schließlich noch wachsen. Oder so ähnlich.

Was das Bild nicht zeigt, ist der Geschmack. Und auch nicht das Gefühl im Mund. Aber jetzt braucht es erst einmal einen kleinen Exkurs.

Ein kleiner Exkurs: Was A&W wirklich besonders macht

Für nordamerikanische Fast-Food-Ketten ausgesprochen ungewöhnlich ist das Bekenntnis zu möglichst hoher Qualität bei A&W. Oben bei den Pommes bin ich schon auf das hochwertige Rapsöl eingegangen, das die kanadische Kette benutzt. Aber da hört es nicht auf: Es gibt auf der Website des Unternehmens eine ganze Unterseite, die sich mit der Vermeidung von Tierleid bei der Aufzucht auseinandersetzt – inklusive transparenter Benennung dessen, was noch nicht geschafft ist.

Das finde ich ziemlich vorbildlich. Denn besonders in den USA – und bis zu einem gewissen Grad auch in Kanada – ist Verbraucherschutz, wie er für uns dank der hervorragenden EU-Gesetzgebung selbstverständlich ist, ein komplett unverständliches Konzept. 

Also pumpen die großen internationalen Fast-Food-Marken aus den USA munter ihre Viecher mit Wachstumshormonen und Steroiden voll, damit sie möglichst schnell möglichst groß werden. Auch die präventive Gabe von Antibiotika ist vollkommen normal. Dabei geht es aber nicht einmal um die Behandlung von Krankheiten – Antibiotika werden in kleinen Dosen dem Futter ebenfalls aus dem Grund zugesetzt, um das Wachstum zu fördern. Habt ihr mal eine amerikanische Hühnerbrust gesehen? Die sind oft doppelt so groß wie die, die wir hier haben.

Nicht so bei A&W. Die Hühner, die von den A&W-Vertragsfarmen für die zuvor besprochenen Chicken-Burger gezüchtet und geschlachtet werden, sind komplett frei von Antibiotika. Und das Rindfleisch stammt aus Weidehaltung mit artgerechter Fütterung und kommt ohne die Batterie medizinischer Produkte aus, die für die nordamerikanischen Beef-Zucht so typisch ist. A&W schreibt dazu auf seiner Website:

Seit 2013 servieren wir Rindfleisch von Rindern, die ohne künstliche Wachstumshormone und Steroide aufgezogen wurden. Mittlerweile stammt unser gesamtes Rindfleisch von Weiderindern, die ausschließlich mit Gras gefüttert und gemästet werden. Weidefleisch ist genau das, was der Name verspricht — die Rinder fressen während ihres gesamten erwachsenen Lebens nur Gras und andere Futtermittel wie Heu.

Und tatsächlich fühlen sich die Patties ganz anders an als die der anderen Burgerketten – fester, mit mehr Biss und kräftiger Textur. Außerdem schmecken sie völlig anders – nämlich wirklich nach Rind. Und damit beenden wir den Exkurs und gehen …

… zurück zum Papa-Burger

Also: Das sind richtig leckere Patties – mager, dennoch saftig, mit einem intensiven Geschmack nach Rind. (Und ja, ich weiß, wie Rind schmecken sollte.) Sie sind gut gewürzt, aber wie immer bei A&W (außer bei der fürchterlichen Bratensoße der Poutine) auf eine Art, die angenehm im Hintergrund bleibt und sich nicht aufdrängt.

Weshalb der Papa-Burger keine eigene Soße hat, sondern auf die Teen-Soße zurückgreifen muss, bleibt mir ein ewiges Rätsel. Aber egal, denn die Teen-Soße ist super. Auch sie drängt sich nicht nach vorne, wie das die angeblich ach-so-tolle Big-Mac-Soße meinem Empfinden nach beim Konkurrenten McDonald’s macht. Die Teen-Soße ist cremig und weist überraschenderweise eine leichte Karamell-Note auf. Allerdings fand ich, dass insgesamt ein bisschen viel Ketchup und Teen-Soße auf dem Burger war – beim Essen tropfte und schmodderte es ganz schön, und als Vollbartträger sah ich danach aus wie Sau.

Die Gürkchen fand ich ausgesprochen apart. Sie waren frisch, fruchtig, angenehm säuerlich und fügten sich harmonisch in das gesamte Geschmacksprofil des Papa-Burgers ein. Sie lagen auf derselben Ebene wie die Zwiebeln, deren Bissigkeit die süß-säuerlichen Gurken wohltuend abgerundet haben. Geschmacklich passten die beiden Komponenten ohnehin super zusammen – so wie Mixed Pickles halt, nur dass die Zwiebel nicht gepickled war. Noch ein interessanter Effekt: Weil Zwiebeln und Gürkchen ganz unten im Burger-Aufbau lagen, traf meine Zunge beim Reinbeißen zuerst auf ihre Säure und erst danach auf das Fett im Fleisch. Das ließ den Burger insgesamt viel »frischer« wirken. 

Was den Käse angeht, so war ich wieder einmal enttäuscht. Ich weiß nicht, weshalb ich immer und immer wieder auf diesen Marketing-Gag »Cheeseburger« hereinfalle. Hamburger-Käse auf Hamburgern schmeckt immer nach nichts und bringt auch das Mundgefühl nicht voran. Der einzige Sinn und Zweck, den ich in diesem Industriekochkäse erkennen kann, ist der, dass er zwei Patties aneinanderklebt. Also: Käse lohnt den Aufpreis nicht. Auch dann nicht, wenn er so gering ist wie hier.

Der Papa Burger ist ein wirklich anständiger Burger, den ich mit 7,5 von 10 Punkten bewerte.

Cheddar Bacon Uncle Burger

Die letzte Chance auf einen A&W-Burger gab es beim Abflug – im Terminal des Flughafens Vancouver gibt es eine klitzekleine A&W-Filiale, eigentlich eher ein Tresen mit angeschlossener Küche. Die wenigen Sitzplätze muss man sich hier mit den Kund:innen der anderen Läden teilen. Weil ich ihn noch nicht kannte, habe ich mir den Cheddar Bacon Uncle Burger angelacht. Im Prinzip handelt es sich dabei bloß um eine größere Variante des Teen Burgers.

Die beiden Familienmitglieder unterscheiden sich außer in der Größe (der Uncle hat ein 5 oz/140-Gramm-Patty, der Teen hingegen dürfte so bei 3 oz/85 g liegen) ausschließlich durch die Wahl der Soßen und der Zwiebelsorte. Während der Teen-Burger mit seiner auch beim Papa-Burger eingesetzten Teen-Sauce ausgestattet ist, hat sein großer Onkel stattdessen Mayonnaise an Bord. (Beide haben zusätzlich noch Ketchup und Senf.) Beim Teen-Burger ist die Zwiebel weiß, beim Uncle ist sie rot.

Klingt nach winzigen Unterschieden, aber sie machen einen riesigen Unterschied aus. Denn rote Zwiebeln sind nicht so profan wie weiße oder gelbe Zwiebeln – sie sind irgendwie vielschichtiger. Diese Aromatik ginge aber in der Teen-Soße unter, weshalb der Umstieg auf schlichte Mayo schlau ist.

Womit wir auch schon beim wirklich Positiven dieses Burgers landen: Er schmeckte fantastisch. Der Aufbau des Burgers ist ganz genau geplant und auf das Geschmackserlebnis hin optimiert. Die Positionierung der Gürkchen und rohen roten Zwiebeln ganz unten ist eine sehr bewusste Entscheidung: Wenn man hineinbeißt, trifft die Zunge zuerst auf die Säure und die Schärfe. Das öffnet die Geschmacksknospen, bevor das schwere Fett des Fleisches und des Käses folgt. Das macht den Burger sensorisch leichter und frischer. Denselben Effekt habe ich schon oben beim Papa-Burger beschrieben. Beim Uncle kommt dann auch noch die knackige Frische von Tomate und Salat oberhalb der Proteine hinzu.

Wenn aber der Aufbau auf Geschmack optimiert ist, fällt die strukturelle Integrität hinten runter. Im wahrsten Sinn des Wortes.

Zunächst einmal fehlte eine »Schutzschicht« für die untere Bun-Hälfte. Die Gurken sind an sich schon nass, die Saucen sind feucht, und von oben drückt dann auch noch der Fleischsaft nach. Wenn dieser Burger nicht sofort gegessen wird, löst sich der Boden in Matsch auf. Ein einfaches Blatt Salat oder meinetwegen auch geschmolzener Käse unten würde hier die Feuchtigkeit vom Brötchen isolieren – das fehlt hier. 

Jedoch war das größte Problem ein anderes, und das könnt ihr im Foto hervorragend bewundern: Die obere Hälfte rutschte einfach unkontrollierbar durch die Gegend – ich musste den Burger noch nicht einmal anfassen. Guckt euch den Burger auf dem Bild mal genau an. Auf dem nur angeschmolzenen Käse liegt der unebene Speck. Genau darauf legen wir ausgerechnet eine flache, nasse Tomatenscheibe, und darauf dann noch einen flitschigen Salat? Das ist gleich eine doppelte Rutschbahn! Beim Abbeißen war mir völlig klar, dass mir der gesamte obere Teil (Tomate + Salat + Deckel) nach hinten wegschießen würde. Und genau das ist dann auch passiert – bei jedem einzelnen Bissen.

Wenn man aber mal vom unangenehmen Essen mit dem durchnässten Boden und der flitschigen oberen Burger-Hälfte absieht, war der Cheddar Bacon Uncle Burger geschmacklich noch einmal eine Nummer besser als der Papa Burger. Insgesamt gebe ich ihm eine 8,5 von 10 Punkten

Fazit

Ob nun ein Papa- oder ein fancy Cheddar Bacon Uncle Burger – das Programm von A&W besteht eben doch bloß aus stinknormalen Burgern, die jeder Trottel auch im Halbschlaf problemlos zusammenbasteln könnte: ein Brötchen ohne Kauwiderstand, ein paar Soßen, plattgedrückte Frikadellen. Dazu optional ein bisschen anderes Zeugs wie Gürkchen, Zwiebeln, Eisberg, Tomate, Käse, Pilze, Bacon, blablabla. Das ist doch hochgradig langweilig. Muss ich mich hier damit wirklich auseinandersetzen? Ich vermisse bei Burgern einfach … Raffinesse.

Warum gibt es nirgendwo einen Burger, der statt Ketchup vielleicht eine Dijon-Senf-Mayo und statt geschmacksbefreitem Eisbergsalat einen herben Rucola nutzt, auf dem das Fleisch ruht? Darauf kommt dann statt des ewigen, lappigen Plastikkäses ein kräftiger Roquefort oder Stilton, den wir leicht anschmelzen und über den wir dann eine Handvoll gehackter, karamellisierter Walnüsse werfen. Das decken wir dann mit einer aufgefächerten, gegrillten Birnenhälfte ab und toppen alles mit ein paar Tropfen Akazienhonig. Deckel drauf, Mahlzeit. Das wäre Burger-Raffinesse!

Aber für eine Kette ist das vielleicht auch ein bisschen zu viel verlangt.

Ist A&W nun wirklich die beste Burgerkette der Welt? Nun, das weiß ich natürlich nicht. Aber innerhalb Kanadas spielt das Franchise definitiv ganz oben mit, nicht nur, weil die Burger mindestens okay (Spicy Habanero), oft aber wirklich überdurchschnittlich gut sind, sondern auch wegen des für Nordamerika ungewöhnlichen Engagements für das Tierwohl in der Nahrungsmittelindustrie. Thumbs up von mir.

Hierzulande hauen sich ja immer viele die Köppe ein, ob nun McDonald’s oder Burger King die bessere Burgerkette sei. Ich finde, die Pommes sind bei McDonald’s besser, der Signature Burger dafür bei Burger King (Whopper schlägt Bic Mac, und noch besser als den Whopper fand ich immer den Big King). Dafür schmeckt mir der simple Hamburger wieder bei McDonald’s besser.

Und wie schlüge sich A&W in Deutschland im Vergleich zu diesen Mitbewerbern? Sagen wir es so: Es läge meilenweit und uneinholbar vor den beiden anderen. 

Nicht so geil ist bei A&W eigentlich nur die Poutine. Aber das ist ja auch kein Burger. 

Falls A&W mal irgendwann nach Deutschland expandieren sollte, hätte das Unternehmen schon einmal drei Stammgäste. Hey A&W, are you listening?

Whisky BBQ Chicken Pizza und Irish Coffee bei Boston Pizza Vancouver

An unserem letzten Abend in Vancouver gingen die Frau, der Sohn und ich kulinarisch getrennte Wege. (Keine Sorge, eine weitere, sehr umfangreiche Rezension folgt noch.)

Unser Hotel in Vancouver lag direkt gegenüber von BC Place. BC Place ist ein multifunktionales Stadion in Downtown Vancouver, das als Heimat der BC Lions (Canadian Football League) und vom Vancouver Whitecaps FC (Major League Soccer) dient. Letzteres Team hat sich ex-Nationalspieler Thomas Müller just während unseres Aufenthalts in Kanada als vorläufiges Altenteil ausgesucht.

Die Filiale von Boston Pizza am »BC Place«-Stadion in Downtown Vancouver
Die Filiale von Boston Pizza am »BC Place«-Stadion in Downtown Vancouver

Direkt vor dem Zugang zum Stadion liegt eine Filiale von Boston Pizza. Mich zogen die grellen Neon-Zeichen an wie die Motte das Licht. Außerdem hatte ich Bock auf eine nordamerikanische Pizza.

Also betrat ich den Laden und blieb brav vorne am Eingang stehen, wo ein Tresen mit Kasse aufgebaut war. Darauf: ein Klingelknopf. Und da niemand am Tresen saß, drückte ich ihn, obzwar kein »Please wait to be seated«-Schild zu sehen war. Aber das ist in Kanada eigentlich Standard.

Ich klingelte.

Und klingelte nochmal.

Niemand erschien.

Im Hintergrund hetzte eine junge Frau durch den riesigen Gastraum, hin und her, immerzu mit Tabletts beladen. Sie sah mich, blickte sich hektisch um. Auch sie sah offenbar niemanden, der mich bedienen könnte. Mittlerweile standen hinter mir weitere Leute, die Einlass begehrten.

Ich klingelte.

Die junge Frau hetzte hinter die Kulissen, kurz darauf kam ein junger Mann aus einem verborgenen Raum heran, und als ich nach einem Platz nur für mich fragte, war er sichtlich enttäuscht. Er platzierte mich an einem Zweiertisch mit Blick auf die Bar und legte mir das Menü vor, dann kümmerte er sich sofort um die Vierergruppe hinter mir, die er an einem weitaus attraktiveren Platz unterbrachte. Danach verschwand er dort, wo er hergekommen war und überließ den gesamten Gastraum wieder der einzelnen Servicekraft.

Insgesamt saßen über die gesamte, riesige Fläche verteilt bestimmt 20 oder 30 Personen – und alles musste die einzelne junge Frau stemmen: von der Aufnahme der Bestellungen über das Herantragen von Drinks und Speisen, dem Abräumen leeren Geschirrs bis zum Drucken und Abkassieren der Rechnungen. Krass.

Ich musste also warten, bis ich bedient werden konnte.

Plötzlich stürmte sie heran, lächelte mich strahlend an und fragte, was sie mir zu trinken bringen könnte. Ich hatte unterdessen schon so viel Zeit gehabt, dass ich auch schon mein Essen ausgesucht hatte. Keine zwei Minuten stand der Eistee auf dem Tisch, den sie elegant im Vorbeifliegen sozusagen abwarf. Auf meine Pizza musste ich länger warten und hatte daher viel Zeit, mich mit dem Ambiente vertraut zu machen.

Das Ambiente

Der Gastraum von Boston Pizza in Downtown Vancouver
Der Gastraum von Boston Pizza in Downtown Vancouver. Leider sieht man den Lärm nicht.

Boston Pizza ist eine kanadische »Casual-Dining«-Kette, die 1964 gegründet wurde und heute als eine der führenden Restaurantmarken des Landes mit Hunderten Standorten in Kanada sowie Ablegern in den USA und Mexiko gilt. Der Gründer wählte den Namen »Boston« deshalb, weil ihm Boston als Stadtname gefiel, weil der Name sowohl auf Englisch wie auch auf Französisch gut aussprechbar ist und weil Boston in Kanada als »amerikanisch-sportlich« wahrgenommen wird.

Ja, sportlich. Boston ist die Heimat gleich mehrerer bekannter Profiteams in den großen US-Sportarten: die Boston Red Sox (Baseball), die Boston Celtics (Basketball), die Boston Bruins (Eishockey) und die New England Patriots (Football).

Das Boston-Pizza-Konzept vereint diese sportliche Wahrnehmung, indem es eine Sports‑Bar und – so sagt zumindest die Website – ein familienfreundliches Restaurant verbindet.

Der Part mit der Sports-Bar dominierte allerdings den kompletten Gastraum. Überall hingen Bildschirme herum – egal, wohin man sich wendete. Zentral über der Bar hing ein Monsterdisplay, auf dem im vierfachen Splitscreen bis zu drei Sportarten gleichzeitig liefen (Baseball und Eishockey, das in Kanada nur hockey heißt, und außerdem ein Zusammenschnitt legendärer Fußball-Tore internationaler soccer-Vereine).

Der vierte Screen blieb nicht etwa leer, sondern lieferte eine zweite Kameraeinstellung, entweder vom Eishockey- oder dem Baseball-Spiel. Gelegentlich tauchten auch Kommentatoren auf, und alle paar Minuten lief in einem der Splitscreens ein einzelner Werbespot für irgendwas.

Riesige Bildschirme dominieren den Boston Pizza in Downtown Vancouver
Dieser riesig Bildschirm dominiert den Boston Pizza in Downtown Vancouver.

Richtig nervig an diesem Screen war, dass die Inhalte der vier Felder permanent wechselten. Selbst wenn ich einem Spiel oder den Torszenen hätte folgen wollen – es wäre gar nicht gegangen. Mal war rechts oben Eishockey, mal Fußball, mal Kommentator, mal Werbung, mal Baseball.

Die einzelnen, im Gastraum verteilten Screens zeigten jeweils nur einzelne Spiele, keinen Splitscreen.

Am allerschlimmsten aber war das leuchtende Dingsbums hier:

Das Tisch-Display bei Boston Pizza in Downtown Vancouver
Das Tisch-Display bei Boston Pizza in Downtown Vancouver

Dieses Touch-Display, das in seiner ganzen hässlich-billigen Plastikheit auf dem Tisch herumstand, flackerte alle paar Sekunden auf ein neues Slide, um mir irgendwas aus dem Sortiment zu verkaufen oder etwas über die famose Geschichte von Boston Pizza zu erzählen – so schnell, dass ich nicht einmal den Text erfassen konnte. Was für ein Quatsch!

Zum Beispiel las ich auf dem Ding das hier:

”Our name is American, our food is Italian, but we’re 100 % Canadian and have been since we opened our first restaurant in Edmonton in 1964. What‘s confusing about that?“

Zu deutsch: »Unser Name ist amerikanisch, unser Essen ist italienisch, aber wir sind zu 100 % Kanadier, und das schon seit der Eröffnung unseres ersten Restaurants in Edmonton im Jahr 1964. Was ist daran verwirrend?«

Natürlich hatte das Dingsbums auch einen praktischen Zweck: Auf dem kleinen Touch-Display konnte ich das Menü aufrufen, die einsame und ohnehin gestresste Servicekraft rufen oder nach der Rechnung verlangen. Sobald ich das Menü aufrief, hörte es ein bisschen länger auf zu flackern – also tippte ich laufend »Menu« an und hatte dann 30 Sekunden Ruhe.

Nervtötend as hell. 👿

Am allerschlimmsten aber war der Lärm. Es war so unfassbar laut in dem Laden (soviel dann zum »familienfreundlichen Restaurant«). Die Akustik in der riesigen Halle mit den – natürlich – nackten Kabeln und Rohren an der Decke war einfach gruselig. Ich weiß nicht einmal, was den ganzen Krach erzeugte, denn ich habe mir direkt nach meiner Bestellung die AirPods Pro reingepröppelt und Noise-Cancelling aktiviert. Und selbst damit blieb es irre laut. Mit eigener Musik auf den Ohren ging’s dann.

Der Service

Ich erwähnte schon, dass die junge Frau vom Service sich alleine um den ganzen Laden kümmern musste. Und obwohl sie fürchterlich gestresst war, lächelte sie trotzdem jede:n an.

Als ich am Ende die Rechnung zahlte und wir beide darauf warteten, dass das Kartenzahlgerät seine Verbindung etablierte, fragte ich sie, ob sie echt komplett alleine sei. Ja, sagte sie. Eine Kollegin habe sich heute krankgemeldet, und was mit der anderen war, habe ich akustisch im ganzen Lärm leider nicht verstanden und hatte keine Chance, nachzufragen – denn die Zahlung war durch, sie wünschte mir noch einen tollen Abend und verschwand mitsamt der Maschine.

Höchsten Respekt für die Stressresistenz meiner Bedienung.

Was derweil der Typ machte, der mich an den Platz geführt hatte? Entweder war der nicht zu sehen oder er führte neue Leute an ihre Plätze, die er sodann wieder der einsamen Servicekraft überließ.

Die Bestellung

Die Karte ist reichhaltig mit allem Möglichen bestückt. Von Fish & Chips bis Fish Tacos, von Pizza bis Pasta (einschließlich der berüchtigten Mac & Cheese), von Burgern bis zu Slow-Roasted Pork Back Ribs gab es irgendwie alles. Ich entschied mich für eine Pizza, und da mir schon klar war, dass das hier allenfalls italienisch-inspired sein würde, nahm ich auch gleich das, was am allerwenigsten nach Italien und am allermeisten nach Nordamerika aussah.

Die Whisky BBQ Chicken Pizza

Die Whisky BBQ Chicken Pizza bei Boston Pizza Vancouver
Die Whisky BBQ Chicken Pizza bei Boston Pizza Vancouver

Klingt »Whisky BBQ Chicken« nach etwas, was in Italien auf der Pizza liegen würde? Nein? Gut. Denn das war das, was ich wählte.

Jede Pizza kann in vier Größen geordert werden. Am Nachbartisch saß jemand, der einen Teigfladen mit vielleicht 15 cm Durchmesser vor sich hatte, der in vier Teile geschnitten war. Das war die Größe »I«, was für »Individual« steht – also für eine Person alleine. »S« für »Small« ist dann offensichtlich schon zum Teilen gedacht. Und dann gibt es »M« und »L«, also »Medium« und »Large«.

Ich orderte eine »Small« und vermutete einfach, dass das unsere »normale« Bringdienst-Größe sein würde, und behielt mit der Vermutung Recht. Das Ding war am Ende so um die 25 cm im Durchmesser.

Nach geraumer Zeit lag der Teigfladen vor mir und war in 8 Teile geschnitten.

Obwohl Boston Pizza behauptet, italienisches Essen zu servieren, ist das nicht korrekt. Denn die hier servierte Pizza hat nichts mit italienischer Küche zu tun – außer der runden Form und dem generellen Konzept, Dinge auf einen Teig zu packen und dann zusammen zu backen. Alles andere war eindeutig amerikanisch. Und das ging los mit dem Teig.

Der Pizzateig

Natürlich fand ich ganz zuunterst nicht etwa einen echten Pizzateig, sondern einen dicklichen, aufgeplusterten, leicht öligen Boden. Das resultierende Gericht nennt man »Pan Pizza« und kennt es hierzulande vornehmlich von Pizzabringdiensten, oder halt dem US-amerikanischen Schnellrestaurant »Pizza Hut«. In keiner anständigen italienischem Gastronomie werdet ihr jemals eine Pan Pizza serviert bekommen.

Die Hauptattraktion der Pizza schien aber ohnehin nicht der Teig, sondern die J.P. Wiser’s Whisky BBQ sauce zu sein, die auf dem Teig statt Tomatensoße als Grundlage verteilt war.

Die J.P. Wiser’s Whisky BBQ sauce

J.P. Wiser‘s ist ein kanadischer Rye-Whisky, und da ich Whisky-Liebhaber bin, ist mir der Markenname bekannt. Im Übrigen ist es überhaupt gar nicht im Rahmen des Möglichen, dass Whisky der primäre Grund für meine Pizza-Wahl war. Ganz sicher nicht. Bestimmt. Schwör schwör!

Whisky aus Roggen (Rye), das muss ich gleich vorweg sagen, ist nicht gerade mein Lieblingswhisky. Ich genieße lieber schottische Whiskys, die aus Gerste gemacht werden. Ganz besonders liebe ich jene von der Südhälfte der Isle of Islay.

Denn kanadischer Rye ist mir einfach viel zu lasch.

Das charakteristische Geschmacksprofil von Rye-Whiskys ist süßlich mit einigen pfeffrigen Akzenten. Oft schmecken sie aber vor allem nach Karamell, Toffee oder Vanille und sanft nach Früchten wie Äpfeln und Birnen. Die runde Geschmeidigkeit und Balance ohne große Komplexität macht sie für Whisky-Neulinge interessant.

Dagegen verkörpern meine Lieblinge, die Islay Single Malts, einen völlig anderen, viel wilderen und komplexeren Charakter. Diese schottischen Destillate sind berühmt-berüchtigt für ihre kräftigen torfig-rauchigen Aromen. Die Destillerien der südlichen Insel – wie Ardbeg, Laphroaig und Lagavulin – verwenden Torf beim Darren des Malzes und setzen das braune Torfwasser in jeder Produktionsphase ein. Daraus resultieren außerordentlich kräftige Whiskys mit Aromen von Rauch, Teer, Jod und Karbol. Aber selbst die erheblich milderen nördlichen Destillerien der Insel – wie Bruichladdich und Bunnahabhain – sind ganz sicher nichts für Einsteiger:innen.

Genug des Whisky-Exkurses, zurück zur BBQ-Soße.

Da es die J.P. Wiser’s Whisky BBQ sauce nicht es nicht fertig zu kaufen gibt, muss sie wohl hausgemacht sein. Auf der Website der Distille war früher mal ein Rezept dafür veröffentlicht – wie gesagt: war. Jetzt ist da allerdings nicht mehr zu finden. Das Internet vergisst jedoch nichts, und so fand ich es für euch in der WayBackMachine von archive.org und habe es ins Deutsche und ins metrische System übertragen. Wer diese BBQ-Soße also nachmachen möchte: bittesehr. Klickt auf das kleine Dreieck inm nächsten Absatz.

Rezept: J.P. Wiser’s Deluxe BBQ-Soße


Zutaten
120 ml J.P. Wiser’s Deluxe Canadian Whisky
4 ml Rapsöl (ca. ¾ Teelöffel)
1/4 Zwiebel, fein gehackt
160 ml Ketchup
120 ml Apfelessig
1 Teelöffel Worcestershiresauce
1 Esslöffel Tabasco
3 Tropfen Liquid Smoke

Zubereitung
1) Rapsöl in einem mittelgroßen Topf bei mittlerer Hitze erwärmen.
2) Zwiebel zugeben und glasig anschwitzen.
3) Mit J.P. Wiser’s Deluxe ablöschen und die restlichen Zutaten hinzufügen.
4) Mit dem Schneebesen gründlich verrühren.
5) 20 Minuten sanft köcheln lassen, anschließend auf Zimmertemperatur abkühlen.

Mein persönlicher Tipp: Statt J.P. Wiser’s Deluxe könnt ihr auch Ballantine’s Finest oder den Standard-Jameson nutzen – die haben ein ziemlich identisches Profil, schmecken aber beide deutlich besser. Und wenn ihr den Whisky aus dem Rezept durch einen besonders rauchigen Islay-Whisky tauscht, zum Beispiel einen Ardbeg, benötigt ihr keine chemischen Liquid-Smoke-Tropfen mehr. Aber das wäre mir ehrlich gesagt zu schade um den Ardbeg.

Und jetzt kommt nach der ganzen langen Abhandlung nur diese kurze Bewertung: Vom Whisky habe ich bei der Soße nichts geschmeckt. Das war halt ‘ne stinknormale, sehr würzige BBQ-Soße, die ihren Job ganz gut gemacht hat.

Das BBQ-Hähnchen und der Bacon

Nun war schon eine kräftige BBQ-Soße auf der Pizza. Vom BBQ-Hähnchen war natürlich nichts zu schmecken, zumal ich annehme, dass es mit derselben BBQ-Soße mariniert oder glasiert worden ist. Die gegarten und überraschend saftigen kleinen Würfelchen (ca. 1 cm Kantenlänge) von der Hühnerbrust waren also geschmacklich indifferent, gaben aber immerhin ein angenehmes Mundgefühl.

Der Bacon war kein Frühstücksbacon, bestand also nicht aus Scheiben, sondern war am Stück bearbeitet worden. Auch er war gewürfelt, und zwar in der gleichen Größe wie das Huhn. Er hatte sehr intensive, herzhaft rauchig-salzige Aromen, was hervorragend zum BBQ-Style der Pizza passte und zugegebenermaßen das Erlebnis verbesserte.

In Balsamico geröstete rote Zwiebeln

Auf der Pizza gab es – leider zu wenig – in Balsamico geröstete rote Zwiebeln. Davon fand ich ein paar Stücke, die so weit weg von der BBQ-Soße waren, dass ich sie separat verkosten konnte. Sie hatten eine herrliche, süß-säuerliche Note, waren schön zwiebelig ohne dabei zu zwiebeln und haben mich einfach sehr, sehr beglückt.

Der Käse

Wie immer in Nordamerika war alles vollgeklatscht mit Käse, in diesem Fall einer fein geriebenen Mischung aus »Mozzarella« und »Cheddar«. Ich setze das in Anführungszeichen, weil es geradezu blasphemisch ist, diesen Industrieprodukten derartige Bezeichnungen zu geben.

Unter »Mozarella« versteht man in den USA und Kanada einen meist aus Kuhmilch industriell hergestellten, halbfesten Schnittkäse. Der hat nichts (nichts!) mit echtem Mozarella zu tun. Wir kennen das Zeugs als geriebenen »Pizzakäse« aus der Plastiktüte im Supermarkt-Kühlregal. Er bildet beim Backen lange Fäden und sorgt für den typischen »Stretch«, schmilzt gleichmäßig und hinterlässt eine elastische, feuchte Schicht auf der Pizza. Sein Geschmack ist milchig, mild und wenig interessant, sodass Soße und Toppings im Vordergrund stehen.

Das käsige Aroma soll dann der »Cheddar« liefern. Auch der hat in Nordamerika nicht viel mit seinem englisch-irischen Namenspaten gemein, außer dass er wie echter Cheddar eine meist gelb-orange Farbe besitzt (Ausnahmen bestätigen die Regel). In Nordamerika wird er allerdings – wie könnte es anders sein – massenhaft industriell hergestellt. Er ist ebenso ein processed cheese wie der »Mozzarella« – wir kennen das Zeugs als »Scheiblettenkäse« (okay, das ist nicht ganz identisch, aber doch ziemlich). Dieser »Cheddar« schmilzt zwar ebenso leicht, bildet aber weniger Fäden als »Mozzarella«. Seine Aufgabe auf einer Pizza ist es, dem langweiligen »Mozarella« zusätzliche Tiefe und einen volleren Geschmack zu geben sowie eine appetitlich goldgelbe Färbung beizusteuern.

Ich sagte schon: Die Pizza war vollgeklatscht mit dem Zeug.

Warum nur liegt in den USA und Kanada überall so viel Käse auf den Gerichten? Das ist ja nicht nur bei Pizza so – es gibt ganze Gerichte, die sich ausschließlich um Käse drehen, und dann auch noch mit diesem hochverarbeiteten Zeug! (»Mac & Cheese« – es ist einfach WI-DER-LICH!) Was soll das? Wo bleibt da der Genuss?

Wollt ihr eine Antwort?

Okay:

Die übermäßige Käseverwendung in der nordamerikanischen Küche hat keine kulinarischen Gründe, sondern ist das Ergebnis industrieller Logik: Staatliche Subventionen, technologische Innovation und die Anforderungen der Massenproduktion schufen ein System, in dem hochverarbeiteter Käse zum kostengünstigen Standard wurde. »Mozzarella« und »Cheddar« dominieren dabei nicht wegen ihrer geschmacklichen Überlegenheit, sondern wegen ihrer industriellen Eigenschaften – ein fundamentaler Unterschied zu den gewachsenen, regional geprägten Käsetraditionen hier in Europa.

Ist doch schade.

Nur eine Sache war positiv: Die Menge an geschmolzenem Käse wirkte der überwältigend kräftigen BBQ-Soße geschmacklich entgegen. Das machte die Pizza tatsächlich besser.

Das Buttermilch-Ranch-Dressing

Es ist unwahrscheinlich, dass ihr in Deutschland schon einmal Ranch-Dressing gefunden habt. Oder etwa doch?

Ranch ist ein cremiges, kräuteriges Dressing auf Basis von Buttermilch und Mayonnaise, gewürzt mit Knoblauch, Zwiebel, Pfeffer und Kräutern wie Dill, Schnittlauch und Petersilie. Seit Jahrzehnten ist es die beliebteste Salatsoße in den USA und offenbar auch Kanada, weshalb es als Dip und Allzweck-Soße gefühlt auf allem landet. Insbesondere auf Pizza kommt es zum Einsatz – warum auch immer.

Einzeln konnte ich das Dressing auf der Pizza nicht schmecken – es war einfach nicht intensiv genug, um gegen den BBQ-Geschmack anzugehen. Allerdings änderte sich das Mundgefühl der Pizza durch das Dressing, und das durchaus zum Angenehmen.

Das Fazit der Pizza

Gekostet hat die Small-Variante der Whisky BBQ Chicken Pizza von Boston Pizza 22.29 CAD netto, das sind 13,85 EUR vor Steuern – der Preis geht damit für mich klar.

Insgesamt schmeckte die Pizza erwartungsgemäß kräftig nach BBQ-Soße, hatte alles in allem ein ordentliches Mundgefühl und machte satt. Der Teigfladen war allerdings derart geschmacksintensiv, dass sämtliche Komponenten dahinter verblassten und auf der Gabel nicht zu schmecken waren (außer man separierte einzelne Komponenten, so wie ich das mit den Zwiebeln gemacht habe – das geht halt nur nicht mit allem). Den Whisky in der BBQ-Soße halte ich für völlig verschwendet – den kann einfach niemand rausschmecken, und für nuancierte Aromen ist der J.P. Wiser’s Deluxe einfach nicht gut genug. Aber alles in allem war meine Wahl der Pizza schon ganz okay.

Versteht mich nicht falsch: Der Pizzabringdienst bei mir im Dorf hat eine ähnliche BBQ-Pizza im Programm, nur mit Rinderhackfleisch statt Huhn und Bacon, und die ist auch »schon ganz okay«. Boston Pizza hat also das Niveau des Pizzabringdienstes in einem norddeutschen 4.000-Seelen-Dorf.

Und das muss ich bei der Bewertung auch berücksichtigen. Die »Whisky BBQ Chicken Pizza« von Boston Pizza bekommt 6 von 10 Punkten von mir.

Der Nachtisch: Ein nicht ganz so irischer Irish Coffee

Der Irish Coffee von Boston Pizza in Downtown Vancouver
Der Irish Coffee von Boston Pizza in Downtown Vancouver

In den Filialen von Boston Pizza wird eine spezielle Variante des Irish Coffee angeboten, die sich durch eine wesentliche Zutat vom klassischen Rezept deutlich unterscheidet. Und das wollte ich doch einmal als Nachtisch nach meiner Pizza testen.

Ein traditioneller Irish Coffee, wie er von der International Bartenders Association anerkannt wird, besteht aus diesen vier Zutaten:

  • Heißer schwarzer Kaffee
  • Irischer Whiskey
  • Zucker
  • flüssige Sahne

Bei der klassischen Zubereitung werden Zucker, Whiskey und heißer Kaffee in ein vorgewärmtes Glas gegeben und so lange umgerührt, bis der Zucker aufgelöst ist. Anschließend wird die gekühlte, flüssige Sahne vorsichtig über einen Löffelrücken auf den Kaffee gegossen, sodass sie eine separate Schicht auf der Oberfläche bildet und sich nicht mit dem Kaffee vermischt. (Wie das alles genau geht, zeigt das Video der IBA auf YouTube.) Der Kaffee wird dann durch diese Sahneschicht hindurch getrunken.

Der frappierendste Unterschied zwischen diesem Standardrezept und dem Irish Coffee von Boston Pizza ist die Zugabe von Kahlúa, einer Kaffeelikörmarke aus Mexiko. Das traditionelle Rezept enthält natrlich keinerlei Likör; die Süße stammt ausschließlich vom braunen Zucker – und der fehlte hier dafür komplett.

War das schlimm? Eigentlich nicht – ich fand das Ergebnis überraschend gut. Der Kahlúa fügte dem Getränk eine angenehme, cremige Textur hinzu, während traditioneller Irish Coffee sich einfach nur anfühlt wie normaler schwarzer Kaffee mit Schuss. Diese Cremigkeit milderte auch die Schärfe des Alkohols aus dem Jameson Irish Whiskey ab.

Eine weitere Auffälligkeit war nur visuell, denn das Getränk war braun, nicht schwarz, wie »normaler« Irish Coffee. Außerdem kam die Sahne hier aus der Sprühflasche und wurde nicht kunstvoll angeschlagen. Aber das sei mal geschenkt.

Als Irish Coffe wäre das eine 0 von 10 Punkten gewesen. Mexikanischer Kaffeelikör in irischem Kaffee? Eindeutig Thema verfehlt. Aber als alkoholisches Heißgetränk ist das schon irgendwie lecker. Und so gebe ich dem Ding 7 von 10 Punkten.

Und das heißt: Ja, das trinke ich gern noch einmal, aber dafür eine Flasche Kahlúa kaufen käme für mich jetzt nicht in Frage.

Legendary Deluxe with Cheese — White Spot, BC Ferries

Mal ehrlich – was kann man kulinarisch schon groß erwarten, wenn man mit einer Fähre von BC Ferries zwischen Vancouver (Horseshoe Bay) und einem Nest namens Gibsons (Terminal Langdale) ca. 10 Seemeilen weit und ungefähr 40 Minuten lang unterwegs ist?

Nicht viel.

Aber wir hatten Hunger, und so mussten wir ins Bordrestaurant. An Bord von BC Ferries ist die kanadische Restaurant-Kette White Spot zuständig für das Catering. White Spot hat seinen Hauptsitz in Vancouver und wurde bereits 1928 gegründet. Der Ursprung ist schon krass: Der Gründer hatte in Vancouver einen Ford-T in einen mobilen Imbiss umgebaut begann und dann Kanadas erstes Drive-In-Restaurant an einem Aussichtspunkt in Vancouver eröffnete. Das Konzept »Car Hop Service« – Bedienung direkt am Auto – war damals eine Neuheit und machte White Spot äußerst populär. In den ersten Jahren standen BBQ Chicken und andere einfache Gerichte auf der Speisekarte, bevor die mittlerweile ziemlich legendären Burger eingeführt wurden. Heute ist White Spot der älteste Restaurantbetrieb Kanadas.

An Bord der größeren BC Ferries bietet White Spot ein eingeschränktes Menü mit bekannten White-Spot-Klassikern an. Die Speisekarte ist im Vergleich zu den regulären White-Spot-Filialen etwas reduziert, aber weiterhin werden die charakteristischen Gerichte aus hochwertigen, möglichst kanadischen Zutaten angeboten.

Das Ambiente

Der Kassenbereich an Bord einer BC Ferries-Fähre zwischen Horseshoe Bay und Langdale
Der Kassenbereich an Bord einer BC Ferries-Fähre zwischen Horseshoe Bay und Langdale

Eine Fähre ist vor allem eins: funktional. Daher ist vom Ambiente nicht viel zu erwarten. Auf der einen Seite geht es rein, am Tresen werden die Speisen und Getränke gewählt, dann wandert man weiter zu den Kassen und bezahlt, anschließend geht es in den Gastraum. Da sitzt man dann an festgeschraubten Tischen (ja, die See kann in British Columbia ab und zu ziemlich rau werden) und isst, was immer man sich geholt hat.

Der Essbereich an Bord einer BC Ferries-Fähre zwischen Horseshoe Bay und Langdale
Der Essbereich an Bord einer BC Ferries-Fähre zwischen Horseshoe Bay und Langdale

Der Service

Sagen wir es so: Es geht ziemlich flott. Und trotzdem wird einem lächelnd der übliche kanadische Gruß (»Hi! How are you today?«) entgegengerufen. Mein Sohn wollte für seinen Burger eine Extrawurst gebraten bekommen, und das wurde problemlos und superschnell zusammengebastelt. Also echt: Respekt.

Die Bestellung

An Bord unserer Fähre gab es reichlich Auswahl, und weil wir nicht vertraut mit dem Menü waren, hat es bei uns etwas länger gedauert. Meine Frau wollte gar nichts (und hat am Ende die Hälfte unserer Pommes weggenascht), mein Sohn und ich nahmen dasselbe, nämlich den Hamburger namens »Legendary Deluxe with Cheese« (mein Sohn: ohne Cheese) als Combo mit Pommes und Softdrink für 17,39 CAD (10,81 Euro) vor Steuern.

Legendary Deluxe with Cheese Combo

Wir wickelten den Burger aus, und das Erste, was uns entgegenkam, war die längs aufgeschnittene Scheibe einer sauren Gurke, die ins Papier eingewickelt war. What the heck?

The Legendary with Cheese von White Spot an Bord von BC Ferries
The Legendary with Cheese von White Spot an Bord von BC Ferries – eine Gurkenscheibe ist längs ins Papier eingewickelt.

Dann fand ich heraus, dass diese Gurkenscheibe bei White Spot normalerweise direkt auf dem oberen Burger-Bun liegt – was es irgendwie auch nicht besser macht. Aber das scheint so ein Ding bei White Spot zu sein: Der Pickle liegt halt obendrauf.

Das habe ich dann hier einmal nachgestellt:

The Legendary with Cheese von White Spot an Bord von BC Ferries
The Legendary with Cheese von White Spot – so würde er wohl in Restaurants an Land präsentiert werden

So lässt sich natürlich kein Hamburger essen, also habe ich den Deckel abgehoben und die Gurkenscheibe darunter abgelegt. Für mich stellt sich die Frage, warum die Gurkenscheibe überhaupt oben drüber liegt. Nehmen so viele Leute die Gurken aus ihren Burgern, dass sich White Spot dachte: »Das machen wir ihnen ein bisschen einfacher«? Keine Ahnung.

The Legendary with Cheese von White Spot an Bord von BC Ferries
The Legendary with Cheese von White Spot an Bord von BC Ferries

Während ich die ganzen Fotos machte, mümmelte mein Sohn schon fröhlich vor sich hin. Zwischen zwei Bissen sagte er: »Für Fähren-Fraß erstaunlich gut.«

Das musste ich jetzt auch probieren.

Der Burger besteht aus 100 % kanadischem Rindfleisch, geschreddertem Salat, einer breit geschnittenen Tomatenscheibe und dem allgegenwärtigen wie aromafreien Plastikkäse. Außerdem befindet sich die spezielle Triple »O« sauce auf dem Burger, die es nur bei White Spot (und dessen Ableger Triple O‘s) gibt.

Der Name »Triple O« bezieht sich übrigens nicht auf drei Zutaten in der Soße oder so. Er stammt – so die Legende – aus der Zeit der Drive-in-Restaurants, in der die Kellner:innen angeblich die Abkürzung »ooo« auf den Bestellscheinen verwendeten, um einen Burger mit extra vielen Belägen zu kennzeichnen. Ob diese Legende stimmt, konnte ich allerdings nicht verifizieren.

Diese Soße besteht, so viel konnte ich herausfinden, im Wesentlichen aus der Mischung einer speziellen Voll-Ei-Mayonnaise mit einem rotem Hamburger-Relish, wobei das Relish der Soße auch ihre leicht orange Farbe verleiht. Sie schmeckt etwas süß‑säuerlich und leicht pikant, mit deutlicher Gurken‑ und Zwiebel‑Note aus dem Hamburger‑Relish und besitzt ein weiches, mayonnaiseartiges Mundgefühl.

Das hätte ich gerne auch erlebt. Aber das funktioniert wohl nur dann, wenn nicht ein halber Liter auf den Burger geklatscht wird. Genau das allerdings war meinem Burger zugestoßen (zumindest gefühlt). Das Ergebnis war, dass nicht nur alles ausschließlich nach der Soße schmeckte, sondern dass es auch überall heraustropfte und -matschte und sich sämtliche Beläge des Burgers bei jedem Bissen erneut fragen mussten, in welche Richtung sie jetzt wohl am besten davonflutschen sollten.

Die Sauerei auf meinem Tablett war enorm. Beim Burger meines Sohnes hielt sich das Getropfe und Geschmaddere zwar etwas mehr in Grenzen – dort war nicht ganz so viel Soße verwendet worden – aber unsere Hände sahen trotzdem aus, als hätten wir persönlich die Triple »O« sauce mit unseren Händen auf den Burger geschöpft.

Abgesehen davon, dass es einfach viel zu viel des Guten war: Immerhin war es des Guten. Die Soße ist tatsächlich richtig lecker. Schade, dass ihr Geschmack alles andere überdeckte.

Aber, um die Worte des Sohnes zu wiederholen: »Für Fähren-Fraß erstaunlich gut.« Sagen wir: 6 von 10 Punkten.

Die Pommes

Die Kennebec Potato Fries von White Spot an Bord von BC Ferries
Die Kennebec Potato Fries von White Spot an Bord von BC Ferries

Ein riesiger Berg Fritten kam mit dem Combo-Gericht. Und ein noch riesigeres Schild informierte darüber, dass White Spot die Kennebec-Kartoffel für diese Fritten benutzt. Da musste ich natürlich gleich nachschauen, was genau das für eine Sorte ist.

Die Kennebec ist weißfleischig und weist eine Kombination aus relativ niedrigem Wassergehalt und gutem Stärkeprofil auf. Darum gilt die Kennebec als besonders geeignet zum Frittieren: Pommes und Kartoffelchips profitieren besonders, wenn sie aus Kennebec-Kartoffeln hergestellt werden.

Die ganze Familie fand, dass die Fähren-Pommes innen schön cremig-weich und außen angenehm angeknuspert (aber keineswegs hart) waren. Insofern herrschte Einigkeit: Das ist die optimale Kartoffel für Pommes. Dann aber hört diese Einigkeit sofort auf: Meine Frau und ich fanden den Geschmack eher nichtssagend bis langweilig, meinem Sohn waren sie »zu kartoffelig«. Meine Frau fand sie zu salzig, während ich mich über das Salz freute, damit die Dinger für mich überhaupt nach was schmeckten.

Ob die Langweiligkeit dieser Pommes nun an der Kennebec-Kartoffel an sich oder an diesem speziellen White Spot-Spot auf der Fähre lag – keine Ahnung. Ich persönlich fand diese Fritten zwar nicht besonders schlimm, aber auch nicht gerade bemerkenswert. Hätte ich mir nicht direkt Notizen dazu gemacht, hätte ich jetzt – ein paar Tage später – keinerlei Erinnerung mehr an sie.

Da man mit Pommes eigentlich nichts falsch machen kann, hier aber offensichtlich irgendwas falsch gelaufen ist, werte ich sie mit 5 von 10 Punkten. Und die gibt es nur wegen des guten Mundgefühls.

Das Fazit

Kommen wir zurück zur Eingangsfrage: Was kann man kulinarisch erwarten, wenn man mit einer Fähre von BC Ferries zwischen Vancouver (Horseshoe Bay) und einem Nest namens Gibsons (Terminal Langdale) ca. 10 Seemeilen weit und ungefähr 40 Minuten lang unterwegs ist?

Wir hatten nicht viel erwartet, und die Pommes passen da ins Bild. Der Burger allerdings war etwas ein kleines bisschen besser als gedacht. Mein Sohn hatte zudem etwas mehr Glück als ich, weil er weniger Soße auf seinem Brötchen hatte.

Würde ich das Gericht empfehlen? Nein, eher nicht. Andererseits ist es mit knapp unter 12 Euro auch echt preiswert. Und wer es lieber nicht probieren möchte: An Bord gibt es auch Salate und andere Speisen zu kaufen, die vielleicht besser passen.

Char Siu Pork Belly & Salt Baked Chicken in der Heritage Asian Eatery

Noch immer in Vancouver sind meine Frau und ich in ein chinesisches Restaurant gegangen. Der 15-jährige Sohn hatte keinen Bock, chillte stattdessen im Hotel und hat (Spoiler!) was verpasst.

Vancouver besitzt eine riesige chinesische Community; bei der Volkszählung 2021 waren knapp 20 % aller Einwohner:innen in der Metropolregion chinesischer Abstammung. Daher sind chinesische Restaurants in der weltoffenen Stadt am Pazifik erheblich authentischer als das »Peking Haus«, »Die Große Mauer« oder dieser »Goldener Drache« mit dem suspekt wirkenden Goldfisch-Aquarium und den Buddha-Devotionalien in den Außenbezirken einer deutschen Großstadt. Aber hüben wie drüben gilt: Sitzen Menschen der entsprechenden ethnischen Gruppe in großer Zahl in einem Restaurant, wird es wohl ganz gut sein.

So war es auch bei der Heritage Asian Eatery in der W Pender Street im lebhaften Coal-Harbour-Viertel von Vancouver. In der Main Street gibt es übrigens noch eine weitere Filiale des Restaurants.

Das Ambiente

Das Ambiente im Restaurant Heritage Asian Eatery.
Das Ambiente im Restaurant Heritage Asian Eatery, kurz bevor wir schon nach Ladenschluss gingen.

Machen wir uns nichts vor: Das Heritage Asian Eatery wird keinen Preis für Gemütlichkeit gewinnen. Im Gegenteil. Der Wohlfühlfaktor liegt nahe am Gefrierpunkt, und zwar gleich in doppelter Hinsicht.

Der schlauchartige Gastraum erstreckt sich von der Straßenfront bis nach hinten, wo er an die Küche grenzt, die direkt neben der Toilette liegt. Der Boden besteht aus rohem, irgendwie abgestoßen wirkendem Beton, der in regelmäßigen Abständen von offenbar unsachgemäß mit einer Flex von Rost befreiten Stahlträgern durchzogen ist.

Die Decke ist höher, als der Laden breit ist. Stromkabel sind dergestalt kreuz und quer darunter verlegt, dass ein:e deutsche:r Elektriker:in schon im ersten Lehrjahr einen Schlaganfall erleiden würde. Von den anscheinend in sämtlichen Restaurants Vancouvers üblichen, blanken Rohrleitungen fange ich gar nicht erst an.

Die unangenehme Atmosphäre wurde durch ziemlich abgeranztes Mobiliar unterstrichen. Wir saßen an einem gerade nicht mehr als speckig zu bezeichnenden Zweiertisch. Meine Frau saß auf der mit grünem Kunstleder bezogenen (und anscheinend einigermaßen bequemen) Sitzbank an der Wand, ich musste mich mit einem knüppelharten und buchstäblich arschkalten Metallstuhl herumschlagen.

Auf der einen Seite des Restaurants waren recht große Spiegel ordentlich in Reih und Glied an der Wand befestigt (einen davon seht ihr auf dem Foto), auf der anderen Seite hing ein wildes Sammelsurium riesiger Drucke chinesischer Gemälde in glaslosen Bilderrahmen. Nicht ein einziges passte zum jeweils anderen, nicht ein einziges war in Waage, nicht eines hatte den gleichen Abstand zum anderen oder hing auf gleicher Höhe. Auf diese Galerie habe ich die ganze Zeit blicken dürfen. Das hat mich so irritiert, dass ich ganz vergessen habe, ein Foto davon zu machen. Ich bin schon ein totaler Vollprofi, was so was angeht.

Auf dem Weg zum Klo unterquert man eine sich in grellem Magenta in die Netzhaut brennende Neonschrift »Happy Dumpling«, die die unangenehm kalte Atmosphäre im Laden noch weiter verstärkt. Der Laden versucht halbherzig und überaus erfolglos, mit drei gelben Papierlampen gegenzusteuern.

Aber das Adjektiv kalt beschreibt nicht nur die Atmosphäre. Auch die tatsächliche Raumtemperatur lag unangenehm tief. Bei geschätzt höchstens 18 Grad fröstelten wir vor uns hin und waren ausgesprochen froh, dass wir unsere leichten Sommerjacken dabeihatten.

Zu guter Letzt spielte ziemlich laute Musik, die kein bisschen zu einem asiatischen Restaurant passen wollte. Sie war aber wiederum nicht laut genug, um sie identifizieren zu können. Im Nachhinein kam mir der Gedanke, ob die Mucke vielleicht einfach in der Küche lief und gar nicht im Gastraum – wer weiß?

Der Service

Das Restaurant Heritage Asian Eatery in Vancouver von außen
Das Restaurant Heritage Asian Eatery in der W Pender Street Vancouver von außen

Als wir ohne Reservierung eine Stunde vor dem extrem frühen Ladenschluss das Restaurant betraten, war der Laden fast komplett voll. Wir stellten uns also an das »Please wait to be seated«-Tischchen im Eingangsbereich, und nur Sekunden später stand wie aus dem Nichts eine hochschwangere junge Frau vor uns und lächelte uns an. Ich fragte mich kurz, wo wohl das Rauchwölkchen geblieben sein mochte, aus dem sie unzweifelhaft mit einem leisen »Plopp« aufgetaucht sein musste. Aber ich konnte diesbezüglich keine Nachforschungen anstellen, denn als sie hörte, dass wir keine Reservierung hatten, verschwand sie, wie sie gekommen war (»Plopp«), und einen halben Wimpernschlag später (»Plopp«) stand eine zweite lächelnde junge Frau dort. Sie versicherte, es sei kein Problem, dass wir ohne Reservierung da seien, zauberte aus dünner Luft eine Sprühflasche und einen Lappen hervor, wischte kurz die Tischplatte eines von zwei freien Zweiertischen ab und platzierte uns dort.

Wir nutzten die dreizehneinhalb Sekunden, in denen wir nichts zu tun hatten, um uns im recht kleinen Laden umzuschauen. Insgesamt bietet die Heritage Asian Eatery etwas mehr als 30 Sitzplätze. Davon waren rund 25 Plätze besetzt, und bei zehn Menschen an den Tischen vermuteten wir die Wurzeln in China; oben habe ich ja schon festgestellt, dass so etwas eigentlich immer ein Indiz für eine gute Küche ist.

Wir sollten nicht enttäuscht werden. Aber ich greife vor.

Denn kaum saßen wir, stand (»Plopp«) die hochschwangere junge Frau wieder bei uns, legte uns lächelnd die Karten auf den Tisch und fragte, ob wir erst einmal ein Glas Wasser wollten. Kaum hatte ich »Yes please« gesagt, standen große Wassergläser mit Wasser auf dem Tisch. Natürlich mit einem Haufen Eiswürfeln drin – es war ja bis jetzt noch nicht kalt genug in der Heritage Asian Eatery.

Dann war sie wieder weg, und im selben Moment, als wir uns entschieden hatten, stand sie mit einem iPad neben uns, um die Bestellung aufzunehmen. Wie zum Konfuzius machen die das??

Die Bestellung

Meine Frau wählte die »Classic Chicken Bowl« mit knusprig gebratenem Hähnchen, Ingwer und Schalotten, ich das »Char Siu Pork Belly & Salt Baked Chicken«. Dazu bestellten wir uns die vegetarischen Frühlingsrollen zum Teilen. Außerdem orderte ich eine Kanne Jasmintee, denn mir war jetzt schon eiskalt. »Plopp« – weg war sie wieder.

Der Jasmintee

Der Jasmintee im Restaurant Heritage Asian Eatery kommt in einer großen Porzellankanne.
Der Jasmintee im Restaurant Heritage Asian Eatery kommt in einer großen Porzellankanne.

Der Tee kam innerhalb weniger Minuten in einer flachen, aber dennoch (wie sich noch herausstellen würde) voluminösen Porzellankanne und stilistisch völlig anderem Becher. Aber der Becher wurde zum Fanobjekt meiner Frau – sie wärmte sich damit die ganze Zeit die frierenden Finger.

Um einen hochwertigen Jasmintee zu produzieren, vermischen die Hersteller grüne Teeblätter mehrfach mit frischen Jasminblüten, sodass das intensive Aroma der Blüten auf den Tee übergeht. Nach der Aromatisierung werden die Jasminblüten bei besseren Qualitäten wieder aussortiert, billiger Jasmintee überspringt diesen Schritt und behält die Blüten in den Teeblättern.

In dieser Kanne waren jede Menge Teeblätter, aber nicht eine Blüte zu sehen. Sprich: Das Ausgangsprodukt war hochwertig. Und das schmeckte man auch.

Einen guten chinesischen Jasmintee macht aus, dass er ein intensives und dennoch florales Aroma aufweist. Gleichzeitig hat er eine natürliche, dezente Süße, die den Gesamteindruck harmonisch abrundet, ohne aufdringlich zu sein. Sein Geschmack sollte frisch und klar sein, weich und mild, weder herb noch bitter.

In dieser Kanne war das exakt so. Die feinen, leicht süßen Noten verbanden sich mit dem sanften Blütenduft, und nach dem Trinken blieb ein ganz zarter Nachgeschmack zurück, der angenehm und leicht süßlich war und mich entfernt an den Duft von blühendem Flieder erinnert hat.

Der Jasmintee geht nicht in die Bewertung ein, aber ein Indiz darf er für euch sein: Der Jasmintee ist 10 von 10 Punkten wert. Gekostet hat er vor Steuern 5,00 CAD – das sind gerade einmal 3,14 Euro, und wir haben es zu zweit nicht geschafft, die Kanne auszutrinken.

Die vegetarischen Frühlingsrollen

Die vegetarischen Frühlingsrollen (geteilt für 2 Personen) im Restaurant Heritage Asian Eatery.
Die vegetarischen Frühlingsrollen (geteilt für 2 Personen) im Restaurant Heritage Asian Eatery.

Wir hatten uns die vegetarischen Frühlingsrollen bestellt und sind in deutscher Unkenntnis davon ausgegangen, dass die uns als Vorspeise serviert werden würden. Da hatten wir aber die Rechnung ohne unsere Wirtin gemacht, denn wir waren schon halb fertig mit unseren Hauptgerichten, als die Rollen plötzlich auf dem Tisch auftauchten.

Wir bekamen vier Stück serviert (in der Karte stehen nur drei – da hat es jemand gut mit uns gemeint), die fein säuberlich in der Mitte durchgeschnitten waren, damit wir sie uns teilen konnten. (Während ich das hier schreibe, kommt mir allerdings in den Sinn, dass sich vier Rollen ja auch super einfach so durch zwei Personen teilen lassen würden. Hä? Wozu waren die durchgeschnitten?)

Jedenfalls präsentierten sich die Röllchen mit einer knusprig-goldenen Hülle, die beim ersten Biss sofort hörbar splitterte. Die spröde, angenehm dünne Teighülle war weder zu fettig noch zu trocken – genau so, wie es sein soll. Im Inneren zeigte sich ein lebendiger, farbenfroher Zutatenmix: knackige Weißkohlstreifen, ein Streifen Karotte und Frühlingszwiebel. Alles war so auf den Punkt ausgebacken, dass der Teig außen goldbraun war, aber das Gemüse innen nicht verkocht, sondern noch leicht bissfest war. Es war weder matschig noch überwürzt, sondern aromatisch und frisch – unterstützt durch einen Hauch von Sesamöl.

Die vegetarischen Frühlingsrollen (geteilt für 2 Personen) im Restaurant Heritage Asian Eatery.
Die vegetarischen Frühlingsrollen (geteilt für 2 Personen) im Restaurant Heritage Asian Eatery.

In einer Schale schimmerte eine rote Soße. Die chinesische Küche arbeitet ja häufig mit Stärke, und entsprechend war auch diese Soße recht dickflüssig. Mein Hirn hatte hier irgendwie eine süße Chilisoße erwartet, deshalb war ich überrascht, dass sie kein bisschen scharf, sondern fruchtig und säuerlich war.

Der erste Eindruck war dabei eindeutig süß – es dürfte also ein relativ hoher Anteil an Zucker darin gewesen sein. Dann aber kickte die milde Säure von (Reis-?)Essig rein, der diese Süße perfekt ausbalancierte, bevor sie mir zu viel wurde. Ein Hauch Knoblauch und Ingwer mischten im Hintergrund des Geschmacksprofils ebenfalls mit.

Außerdem konnte ich ein paar fruchtige Akzente erahnen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob hier süße Paprikaschoten oder vielleicht sogar so etwas wie gelbe Pflaumen im Spiel waren. Bevor ich das nämlich herausbekommen konnte, hatte meine Frau die letzten Reste aus der Schale gewischt.

Die Soße war der perfekte Begleiter zu den knusprigen Frühlingsrollen. Es war nur zu wenig Soße – was wohl daran liegt, dass normalerweise eine Rolle weniger geliefert wird. Beschwere ich mich also? NEIN!

Die Rollen kosten 8,85 CAD vor Steuern, das sind gerade mal 5,55 Euro für einen perfekten Snack. Selbst wenn ich ganz ausführlich nach irgendwelchen negativen Seiten dieses Gerichts suche – ich finde einfach keine. Und das heißt: 10 von 10 Punkten.

Das Char Siu Pork Belly & Salt Baked Chicken

Das Gericht Char Siu Pork Belly & Salt Baked Chicken im Restaurant Heritage Asian Eatery.
Das Gericht Char Siu Pork Belly & Salt Baked Chicken im Restaurant Heritage Asian Eatery.

Während ich in Deutschland nicht so wirklich darauf stehe, Schweinebauch zu essen (ich sehe ihn vor allem als den Geschmacksträger in meinem winterlichen Lieblingsgericht, dem norddeutschen Grünkohl mit Kasseler, Bregenwurst und eben Schweinebauch), werden mir auf TikTok laufend neue chinesische Zubereitungsarten dafür präsentiert. In meiner Region Deutschlands führt kein einziges chinesisches Restaurant Schweinebauchgerichte. Denn das ist quasi reines Fett, und welche:r Deutsche will schon reines Fett essen? Die wenden sich doch alle angeekelt ab und packen lieber ihr Nutella-Brot mit Butter aus.

Ja, Schweinebauch ist wirklich fast reines Fett, und weil ich mir selbst nicht so richtig über den Weg getraut habe, habe ich sicherheitshalber nicht nur den Honey roasted Char Siu Pork Belly bestellt, sondern – da hat jemand, der/die Karte gestaltet hat, mitgedacht – eine Kombination mit Salt Baked Chicken. Falls mir der Fettriegel nicht behagen würde, müsste ich auf diese Weise dennoch nicht darben.

Das Kombinationsgericht aus Schwein und Huhn kostete 19,75 CAD vor Steuern, das sind gerade einmal 12,39 Euro. Alle BBQ-Gerichte des Restaurants werden mit Gai Lan, mariniertem Ei und gedämpftem Jasminreis serviert.

Der Gai Lan

Das Gericht Char Siu Pork Belly & Salt Baked Chicken im Restaurant Heritage Asian Eatery.
Im Vordergrund: der Gai Lan.

Gai Lan wird auch chinesischer Brokkoli oder chinesischer Grünkohl genannt. Kein Wunder – alle Kohlsorten der Welt stammen von nur einer einzigen Kohlsorte ab (Brassica oleracea), und während europäischer Brokkoli (Brassica oleracea var. italica) und Grünkohl (Brassica oleracea var. sabellica) seit der Antike gezüchtet werden, ist Gai Lan (Brassica oleracea var. alboglabra) erst seit dem 7. Jahrhundert CE nachgewiesen.

In der kantonesischen Küche wird er meist gedämpft oder gebraten und als Beilage zu Fleischgerichten serviert. Wann immer ihr in chinesischen Restaurants ein Gericht wie »Rindfleisch mit Brokkoli« seht, sollte dort eigentlich Gai Lan verwendet werden – und wird es fast nie.

Ich habe Gai Lan vorher noch nie bewusst gegessen. Gelegentlich hatte ich ihn zwar schon im Asia-Markt meines Vertrauens gesehen, aber noch nie gekauft – das war also für mich ein erstes Mal. Und nun lag er also vor mir auf dem Teller. Die Pflanze hat dicke, tiefgrüne Blätter und kräftige Stiele. Ich nahm eines der großen Stücke mit den Chopsticks auf und schob es mir in den Mund.

Leider waren die Stücke wirklich riesig, und gerade weil die Stiele so kräftig sind, habe ich den Kohl einfach nicht in eins in den Mund bekommen. Mangels westlichen Bestecks wurde es dann etwas – sagen wir: unschön. Ich war froh, dass nur meine Frau zuschauen musste, weil ich mit dem Rücken zum Gastraum saß. Der Zuschnitt des Gemüses ist ein vermeidbarer Punktabzug.

Der Kohl war gedämpft und überraschend bissfest und ganz anders im Geschmack, als ich erwartet hatte. Ich verstehe jetzt, warum Gai Lan mal als chinesischer Brokkoli und mal als chinesischer Grünkohl bezeichnet wird.

Denn er liegt irgendwo dazwischen.

Sein Geschmack erinnert mich tatsächlich an Brokkoli, aber er ist erheblich kräftiger als die zart und mild schmeckenden europäischen Varianten, die ich so kenne. Gleichzeitig kommt aber auch die bittere Note des einfach nicht mehr aufzutreibenden, fantastischen Grünkohls aus meiner Kindheit durch, von den Sorten, die wirklich noch knackigen Frost abbekommen mussten, um ihre Bitterstoffe weitgehend zu verlieren. (Das, was man heute als Grünkohl bekommt, muss zwar keine Minusgrade auf dem Feld erleben, aber dafür ist ihm auch die geschmackliche Komplexität abhanden gekommen.)

Gai Lan gefällt mir – sowohl geschmacklich als auch vom Mundgefühl her. Dann werde ich beim nächsten Mal im Asia-Markt zuschlagen – dann aber kleinere Stücke zubereiten.

Der Gai Lan ist also lecker und bissfest, aber zu groß für unfallfreies Essen geschnitten: 8 von 10 Punkten.

Das marinierte Ei

Halbweiche, marinierte Eier werden in vielen asiatischen Ländern zu allen möglichen Gerichten gereicht. Mittlerweile werden sie, egal woher sie stammen oder wofür sie bestimmt sind, häufig einfach »Ramen-Ei« genannt.

Für mich ist es unmöglich zu sagen, was die Küche genau für die Marinade genutzt hat. Ich kann nur ein paar sinnvolle Vermutungen anstellen: Das Ei auf meinem Teller war leicht salzig und umami, aber auch bis zu einem gewissen Grad süß. Ihm fehlte außerdem die typische Maserung einer Tee-Ei-Marinade. Darum gehe ich davon aus, dass die Marinade einfach aus einer hellen Sojasoße (für das Salz), ein paar Spritzern dunkler Sojasoße (für die Farbe und die tiefe Umami-Note) und vor allem aus Mirin (für die Süße) bestanden hat. Vielleicht war auch ein bisschen Reisessig oder Shaoxing-Wein dabei.

Jedenfalls habe ich durch dieses halbe Ei richtig Bock darauf bekommen, selbst mal wieder Eier zu marinieren – das muss bestimmt 25 oder noch mehr Jahre her sein, dass ich das zuletzt gemacht habe.

Die einzige Klage, die ich habe: Ich hatte nur ein halbes Ei. Meine Frau hingegen fand in ihrem Gericht zwei Hälften. WHY?? 😭

10 von 10 Punkten für das marinierte Ei.

Der gedämpfte Jasminreis

Wenn wir zu Hause asiatische Gerichte kochen, nutzen wir meistens Basmati-Reis, seltener Jasmin. Den gibt es einfach in unserem Dorf nicht in der Qualität zu kaufen, die wir uns wünschen. Darum freue ich mich jedes Mal darauf, wenn ich Jasminreis auf dem Teller habe.

Und ja, mir ist vollkommen klar, dass Basmati-Reis in chinesischen Gerichten nichts zu suchen hat, sondern nur in der Küche des Subkontinents. Er ist viel körniger, nach dem Kochen trocken und locker, weshalb er die in Currys die oßen gut aufnehmen kann, er hat ein längeres und schmaleres Korn und schmeckt insgesamt nussig bis erdig.

Jasminreis ist völlig anders: Er ist im Aroma zart und duftig, blumig und süßlich. Nach dem Kochen ist seine Konsistenz klebrig, was für das Essen mit Stäbchen geradezu eine Notwendigkeit darstellt.

Der Reis, den ich bekam, lag in einer ansehnlichen Menge unter meinem Fleisch. Die süßliche Marinade des Schweinebauchs hatte an ein paar Stellen auf ihn abgefärbt und so auch ein kleines bisschen des süßlichen Geschmacks übertragen. Das machte den ohnehin schon großartigen Jasminreis für mich zu einem geradezu himmlischen Erlebnis – eine glatte 10 von 10 Punkten.

Der Char-Siu-Schweinebauch

Das Gericht Char Siu Pork Belly & Salt Baked Chicken im Restaurant Heritage Asian Eatery.
In der Bildmitte: der marinierte Schweinebauch.

Ich kannte, das habe ich schon erwähnt, bisher noch kein einziges chinesisches Gericht mit Schweinebauch, darum habe ich mich im Nachgang des Abends genauer über diese Zubereitungsart informiert.

Char Siu ist ein traditionell kantonesisches Rezept, das wörtlich »mit Gabeln geröstet« bedeutet. Der Name geht wohl auf eine Methode zurück, bei der lange Fleischstreifen auf Spieße gezogen und dann entweder in einem Ofen oder über offenem Feuer gegrillt wurden.

Für Char Siu wird eigentlich der fettige und besonders saftige Schweinebauch, der hier auf meinem Teller lag, aber mittlerweile wird auch Schweinenacken bzw. Schweineschulter mit marmoriertem Fleisch genutzt oder sogar die magere Schweinelende.

Aber ich hatte hier das Original auf dem Teller: eine reine Fettschwarte.

Die äußeren Schichten des Fetts waren millimeterweit von einer tiefroten Marinade durchdrungen, in der der Schweinebauch stundenlang – und oft viel länger – zieht. Nach dem Marinieren wird es im Ofen gegart, und zwar anderthalb bis zwei Stunden bei etwa 160 Grad. Währenddessen wird es häufig mit der Marinade bepinselt. Zum Schluss wird das Fleisch dann mit der Grillfunktion (traditionell: direkt über offenem Feuer) nachgebräunt, um den charakteristischen Glanz und die angekohlten Ränder zu erzielen.

Zeit, das Ding zu probieren. Beinahe reines Fett, wenn auch mariniert.

Vorsichtig nahm ich eine der fetttriefenden Scheiben zwischen die Chopsticks und biss zögerlich hinein. Erstaunlicherweise war das Mundgefühl überhaupt nicht so, wie ich es erwartet hatte. Ich hatte entweder mit einem zähen Stück Gummi gerechnet oder mit überhaupt keinem Widerstand. Aber es war genau dazwischen: Auch wenn der äußerste Rand stellenweise etwas angeknuspert war, musste ich beim Hineinbeißen an die Konsistenz eines Marshmallows denken.

Der Schweinebauch war sehr saftig und zerging fast auf der Zunge. Das Fett hat die Aromen besonders gut aufgenommen und unterstrich die Mundfülle. Die Kombination aus dem zartem Fett und der glasierten Oberfläche verschaffte dem Gericht ein volles, angenehmes Mundgefühl. Und die die Säfte flossen über meine Geschmacksknospen und trugen die Marinade mit sich.

Und diese Marinade… du liebe Güte.

Sie besteht aus einer Kombination verschiedener Zutaten, die ich recherchieren musste:

Hoisin- und Austernsauce bringen eine angenehme, vollmundige Umami-Note und Würze, die dem Bauchfleisch große Tiefe und einen runden Geschmack verleihen. Sojasoßen sorgen ebenfalls für herzhafte, würzige Nuancen.

Die Süße von Honig und braunem Zucker gleicht die salzigen Noten der Sojasoßen aus. Dadurch entsteht eine deutlich süß-salzige Grundnote, die typisch für Char Siu ist.

Die fünf typischen chinesischen Gewürze Sternanis, Nelken, Zimt, Fenchel und Szechuan-Pfeffer steuern eine komplexe, warme Würze bei: leichte Schärfe, blumige Zimtnoten, anisartige Frische und etwas Süße von Nelken und Fenchel. Dieses Gewürzprofil ist zwar zurückhaltend, aber sehr charakteristisch – es macht den Geschmack unverkennbar »chinesisch«.

Shaoxing-Wein bringt eine sehr milde, ausgeglichene Säure und eine leichte, aromatische alkoholische Note ein. Das hebt die Marinade ab und sorgt für Frische und Komplexität.

Für die Farbe sorgt traditionell rot fermentierter Reis, was aber heute meist durch eine Lebensmittelfarbe ersetzt wird – ist einfacher und preiswerter.

Durch den Honig und Zucker bildet sich beim Rösten im Ofen eine glänzende, leicht knusprige und intensiv karamellisierte Kruste. Diese Glasur ist vollmundig-süß, mit Röstaromen und einem Hauch von Bitterkeit durch die dunkle Karamellisierung.

Durch diese Marinade schmeckt Char-Siu-Schweinebauch süß, salzig, mild würzig, vollmundig und mit dezenter Tiefe und bekommt auch eine aromatische, glänzend-karamellisierte Kruste. Der Schweinebauch ist durchzogen von Umami, einem Hauch Gewürz-Exotik und bleibt herrlich saftig und zart. Die Kombination aus süßer Kruste, würzigem Aroma und schmelzendem Schweinebauch haben mich vollkommen vergessen lassen, was ich mir da gerade in den Mund gesteckt hatte.

Und so aß ich die gesamte Portion des Schweinebauchs auf. Allerdings muss ich gestehen, dass ich zwischen den Schweinebauchscheiben immer wieder Reis und Gai Lan in den Mund schob. Denn mit jedem Bissen, den ich vom Schweinebauch nahm, wurde es mir zunehmend zu viel vom Fett, und am Schluss war mir beinahe schlecht davon.

Obwohl die Marinade und Zubereitung so gut war, dass ich vergaß, was ich mir mit den Stäbchen in den Mund steckte, würde ich mir Schweinebauch Char Siu nicht noch einmal bestellen. Denn den nächsten Teil des Gerichts fand ich viel besser. Und darum gebe ich dem Schweinebauch 6 von 10 Punkten.

Das in Salz gebackene Hähnchen

Das Gericht Char Siu Pork Belly & Salt Baked Chicken im Restaurant Heritage Asian Eatery.
Rechts im Bild: das in Salz gebackene Hähnchen.

In Salzkruste gebackene Speisen kennen wir auch in Deutschland. Ganz besonders beliebt ist diese Methode für Fischgerichte, z. B. für Dorade, Forelle, Lachs oder Wolfsbarsch. Der Fisch wird dabei im Ganzen außen gewürzt, mit Kräutern gefüllt, dann in grobem Salz vollständig eingehüllt, das für die Stabilität oft mit Eiweiß gemischt wird, und im Ofen gebacken. Dadurch bleibt das Fleisch sehr saftig und nimmt ein feines Aroma an, ohne selbst salzig zu werden. Auch Salz-Krustenbraten kennt vielleicht der eine oder die andere von euch.

Genauso funktioniert das mit in Salz gebackenem Hähnchen. Es wird mit Gewürzen eingerieben und anschließend in einer Salzkruste gebacken. Das Salz bildet eine schützende Schicht und sorgt dafür, dass das Fleisch besonders zart, extrem saftig und aromatisch wird, da die Feuchtigkeit im Fleisch eingeschlossen wird und zusammen mit den Gewürzen zirkuliert wie in einem Römertopf. Nach dem Garen wird die Salzkruste aufgebrochen und entfernt und das Hähnchen serviert.

Auf meinem Jasminreis lag der obere Teil einer Keule, also glücklicherweise das beste Fleisch des Tieres. (Ich werde nie verstehen, warum in Deutschland alle die dröge Hühnerbrust für das beste Stück halten. Hühnerbrust ist nicht das beste Stück. Hühnerbrust ist langweilig.) Nach dem Backen war es in Stücke zerhackt worden, und zwar natürlich mitsamt den Knochen darin.

Nun dachte ich, dass es eine Herausforderung werden würde, diese Knochen ausschließlich mit den Stäbchen zu entfernen – doch ich irrte mich. Problemlos ließen sie sich aus dem Fleisch herausziehen, ähnlich wie wir das von Spare Ribs kennen. Und ja, ich schaffte das mit den Stäbchen, ohne auch nur ein einziges Mal meine Finger zu Hilfe nehmen zu müssen.

Das Fleisch selbst ließ sich natürlich problemlos vom Teller in den Mund befördern. Die Haut des Huhns war knusprig und lecker; ich habe bewusst auf die Salzigkeit geachtet, aber nichts Außergewöhnliches bemerkt. Hatte die Haut überhaupt unmittelbaren Kontakt zum Salz gehabt, oder war vielleicht eine Schicht Backpapier dazwischen gewesen? Das kann eigentlich nicht sein – denn dann wäre sie nicht so kross gewesen, sondern durch die Dämpfe aufgeweicht. War sie zunächst entfernt, separat gegart und später wieder appliziert worden? Nein, dazu saß sie zu fest am Fleisch. Wie auch immer die Küche das gemacht hatte: Chapeau.

In den Säften des Fleisches schmeckte ich Ingwer und einen Hauch Knoblauch heraus, aber das war längst nicht alles, was da in Hinblick auf Aroma passierte. Ich kann es nur einfach nicht benennen – zu subtil waren die einzelnen Komponenten, zu verbunden waren sie als Ganzes, zu unwissend bin ich, was die Aromatik dieser Küche angeht.

Nur so viel:

Es war fabelhaft. 11 von 10 Punkten für dieses Huhn.

Die Ingwer-Frühlingszwiebel-Soße

Zum Huhn gehörte ein Dip, der in einer kleinen Schale mitgeliefert wurde. Er bestand aus sehr fein gehackten Frühlingszwiebeln und frischem, geriebenem Ingwer und einem kleinen bisschen Salz, vielleicht auch einem Hauch von weißem Pfeffer. Zwiebeln und Ingwer traten so deutlich hervor und die Gewürze so weit in den Hintergrund, dass diese Mischung wohl mit heißem Erdnussöl übergossen worden ist – ein echt cooler Trick, um die Aromen der Hauptzutaten zu intensivieren und die von Gewürzen zu minimieren, ohne sie ganz zu zerstören.

Fantastischer Dip: 10 von 10 Punkten.

Fazit

Ich wollte unbedingt Schweinebauch ausprobieren, musste feststellen, dass er in dieser Form – obwohl lecker – für mich persönlich nicht das Richtige ist. Aber das hatte ich ja bereits bei der Bestellung antizipiert und daher gleich die Kombi mit dem Huhn genommen.

Dem Gesamtgericht mit Schweinebauch und Huhn gebe ich 8 von 10 Punkten.

Damit wir uns hier klar verstehen: Ich möchte eine absolut uneingeschränkte Empfehlung für diese Küche geben. Nehmt nur einfach keinen Schweinebauch, wenn ihr nicht sicher seid, ob ihr ihn mögt.

Ach ja, und nehmt Jacken und Fäustlinge mit. Auch im Sommer. 🥶

Fully Loaded Burger im Central Restaurant Vancouver Bentall

Vancouver ist für mich eine der schönsten Städte der Welt, und weil ich in der Gegend Verwandte habe, bin ich alle paar Jahre dort. Auch gerade wieder, im August 2025.

Natürlich muss ich auch hier ein paar Restaurants unsicher machen. Heute traf es das Central Restaurant Vancouver Bentall in der Burrard Street.

Das Ambiente

Ein Blick in den Gastbereich im Central Restaurant Vancouver Bentall
Ein Blick in den Gastbereich im Central Restaurant Vancouver Bentall

Das Central Restaurant befindet sich im Erdgeschoss eines Bürogebäudekomplexes und ist reichlich hip. Hohe Decken, die nicht abgehängt sind, sondern den Blick auf Rohre und Leitungen freigeben, die direkt an der brandgeschützten Stahl- und Betonkonstruktion hängen.

Ebenfalls von der Decke baumeln ein knappes Dutzend lautloser Monitore, die – in meinem heutigen Fall – ein Football-Spiel übertrugen. Statt des Sportkommentars lief ziemlich laute Musik; so laut, dass ein vernünftiges Gespräch nicht möglich ist, ohne dass der Nachbartisch alles mitbekommt. Krach beim Essen muss man schon mögen. Ich mag ihn eher nicht, wenn ich essen gehe. Denn ich möchte mich gern unterhalten können.

Naja.

Im vorderen Bereich des Restaurants befindet sich eine ziemlich große Bar-Insel, an der die Getränke gezapft und gemixt werden, im hinteren Bereich die offene Küche. Die Deko ist faszinierend: Bis unter die Decke stapeln sich hier Lautsprecherboxen in überdimensionierten Regalen.

Ein Blick auf die offene Küche im Central Restaurant Vancouver Bentall
Ein Blick auf die offene Küche im Central Restaurant Vancouver Bentall

Wenn man mal vom allgemeinen Lärm absieht, ist die Atmosphäre trotz des Industrial-Charmes warm und einladend: Die Wände sind aus Backstein, die Tische aus Holz, die bequemen Bänke mit recht hochwertigem Kunstleder in angenehmen Farben bezogen. Wenn gerade mal nicht die natürliche Helligkeit des Tages durch die riesigen Fenster fallen sollte, sind strategisch gut platzierte Deckenlampen zur Stelle, um die Tische mit warmem Licht zu versorgen.

Der Service

Der unscheinbare Eingangsbereich des Central Restaurant Vancouver Bentall
Der unscheinbare Eingangsbereich des Central Restaurant Vancouver Bentall

Wenn man an den unscheinbaren Eingang des Central Restaurant Vancouver Bentall tritt, wird man von der ersten Servicekraft in Empfang genommen. In meinem Fall war das eine junge Dame, die meine Reservierung für drei Personen geprüft und uns dann an eine Kollegin weitergegeben hat, die uns dann zu unserem Platz führte: draußen. Da saßen wir keine zwei Minuten über unseren Speisekarten, bevor es uns trotz 22 °C zu kalt wurde – denn der Wind pfiff die Burrard Street erstaunlich eisig herunter. Das war aber kein Problem für das Team: Innerhalb weniger Minuten bekamen wir drinnen einen schönen Tisch direkt am Fenster zugewiesen, wo wir von Evan empfangen wurden. Evan war unsere freundliche Bedienung an diesem Abend.

Er tauchte sofort auf, nachdem wir unsere neuen Plätze bezogen hatten, stellte sich mit Namen vor und ließ uns dann Zeit, uns mit der Speisekarte auseinanderzusetzen.

Wir bestellten zunächst unsere Getränke, und kaum standen die vor uns, nahm er auch schon unsere Speisewünsche entgegen. Direkt danach fragte er, ob irgendwer von uns eine Lebensmittelallergie habe. Wir sind glücklicherweise alle drei nicht von Allergien betroffen. Aber allein die Frage zu stellen, finde ich echt wichtig. In Deutschland habe ich das noch nie erlebt. Dafür hat mich Evan nicht danach gefragt, wie ich mein Burgerpatty haben wollte – wenn mit frischem Fleisch gearbeitet wird, nicht mit TK-Ware, ist das eigentlich üblich. Bevor mir das aber aufgefallen ist, war Evan schon zehn Minuten verschwunden. Da habe ich mich ein wenig über mich selbst geärgert, denn normalerweise will ich mein Fleisch eher in Richtung medium rare haben.

Die Bestellung

Die Speisekarte des Central Restaurants ist nicht unbedingt riesig, was eigentlich dabei hilft, sich schnell entscheiden zu können. Allerdings sah irgendwie alles ausgesprochen einladend aus. Schlussendlich habe ich mich dann aber doch – wie könnte es auch anders sein? – für einen Klassiker der nordamerikanischen Küche entschieden: einen Burger. Genauer: für den Fully Loaded Burger mit einem Patty aus Angus-Beef, doppelt geräuchertem Bacon und gereiftem weißen Cheddar. Außerdem versprach die Karte, dass Salat, Tomate, Gurken, sautierte Pilze, Röstzwiebeln und hausgemachte Soße auf dem gerösteten Kartoffel-Bun zu finden sein würden.

Der Burger kommt mit sogenannten Shoestring Fries oder Salat (ich nahm die Pommes). Dazu bestellte ich mir mit dem Stanley Park Sunsetter Peach Wheat Ale ein lokales Bier.

Als Evan dann nach überraschend kurzer Wartezeit unsere Speisen an den Tisch brachte, stand vor mir eine Art Emaille-Tablett mit erhöhtem Rand. Darauf stand eine Emaille-Schüssel mit den Pommes und eine kleine Blechschale mit Ketchup. Völlig unspektakulär lag auch der Burger einfach so auf der emaillierten Unterlage. Das war schon ein gewöhnungsbedürftiger Anblick und gab mir gänzlich unerwartet und komplett überflüssig einmal mehr diese unangenehmen »Wer einmal aus dem Blechnapf frisst«-Vibes. Sind Porzellanteller in diesen Hipster-Lounge-Bistro-Restaurants echt dermaßen aus der Mode gekommen? Oder bin ich einfach nur so unglaublich altmodisch?

Die Shoestring Fries

Shoestring Fries in einer Emaille-Schale im Central Restaurant Vancouver Bentall
Shoestring Fries in einer Emaille-Schale im Central Restaurant Vancouver Bentall

Beginnen wir mit der Beilage. Die Shoestring Fries entpuppten sich einfach als besonders dünne und lange Pommes – »Schnürsenkel-Fritten« passt also ziemlich gut als Name. Was zunächst nach einer recht überschaubaren Pommes-Portion ausgesehen hatte, war dann doch eine ziemlich mächtige Menge.

Denn diese Pommes waren nicht knusprig und hart wie meistens bei uns, sondern weich und biegsam. In der Küche hatte man darum eine ansehnliche Menge der Kartoffelstäbchen kompakt in die Emaille-Schüssel pressen und das volle Volumen der Schüssel ausnutzen können.

Aber Moment mal – nicht knusprig? Weich und biegsam? Pommes? Ja, aber diese Fritten waren dennoch keinesfalls labberig oder wabbelig – irgendwie besaßen diese Shoestring Fries auf überraschende, ungewohnte Weise die perfekte Konsistenz. Wie auch immer die das in der Küche hinbekommen haben, diese Fritten fühlten sich irgendwie … richtig an.

Außerdem waren sie perfekt gesalzen – nicht zu viel, nicht zu wenig. Der Kartoffelgeschmack war deutlich vorn, das Fett der Fritteuse kaum zu erahnen. Super lecker, für mich waren das die besten Pommes seit Langem. Die bekommen eine glatte 1 von mir. Auf den mitgelieferten Ketchup habe ich fast komplett verzichtet, denn der war überaus gewöhnlich.

Der Fully Loaded Burger

Fully Loaded Burger im Central Restaurant Vancouver Bentall
Fully Loaded Burger im Central Restaurant Vancouver Bentall

Der Fully Loaded Burger mit seinem Markenschutz-Patty wurde von einem kleinen Piekser zusammengehalten, und das war auch nötig, denn er war wirklich voll beladen. Überall quollen Bestandteile hervor, und ich entschied mich, das Ding mit Messer und Gabel zu essen.

Ganz unten auf der unteren Hälfte des Kartoffelbrötchens befand sich die hausgemachte Soße, darüber in feine Streifen geschnittener Salat, darauf etliche Scheiben eingelegter Gurken, dann mindestens zwei dünne Tomatenscheiben, darauf lag der Patty. Auf dem Patty war der weiße Cheddar geschmolzen, dessen Klebekraft die sautierten Pilze und Röstzwiebeln an Ort und Stelle hielt. Schließlich kringelte sich noch der Bacon ganz oben drauf, bevor die obere Hälfte des Buns das Ganze abschloss.

Ich beginne mal mit den langweiligsten Dingen: dem Käse und den Pilzen.

Der gereifte weiße Cheddar

Vor einiger Zeit habe ich mal einen Smashed-Burger in einem Gourmet-Burgerlokal gegessen, auf dem dicke, handgeschnittene Scheiben weißen Cheddars, Birnen und Preiselbeeren zum Einsatz gekommen waren. Insofern konnte ich ungefähr einschätzen, was für ein Käse mich erwarten würde. Und ich habe mich darauf wirklich gefreut.

Gereifter weißer Cheddar stammt vorwiegend aus Südwestengland, insbesondere aus den Grafschaften Somerset, Devon, Dorset und Cornwall. Auch in Irland werden White Cheddars gereift. Diese Spezialität bietet eine ausgeprägte aromatische Tiefe mit würzigen, leicht süßlichen und nussigen Noten sowie einer festen, cremig-bröseligen Textur – ein intensives, komplexes Käseerlebnis, das mit zunehmender Reife an Charakter gewinnt.

Gereifter Cheddar schmilzt dank seiner bröseligen Struktur extrem schlecht und bleibt ziemlich bissfest. Dünne Scheiben herzustellen, ist kaum möglich, weil der Käse dir einfach beim Schneiden wegbröselt. Darum wird Cheddar dieser Art außer bei Gourmet-Varianten (damals hatte ich ziemlich dicke, handgeschnittene Stücke unter dem Patty) nicht für Burger genutzt – er erfüllt einfach nicht die Kriterien dessen, was ein:e Konsument:in von einem Burgerkäse erwartet.

Als der Burger eintraf und ich nur ein dünn geschnittenes, geschmolzenes Quadrat des Käses auf dem Patty entdecken konnte, war ich ziemlich skeptisch, was den »aged white cheddar« betraf. Und ich sollte Recht behalten.

Die farblose Käsescheibe auf dem Patty schmolz nämlich während des Essens immer weiter und wurde schließlich beinahe flüssig und transluzent. Geschmacklich konnte ich absolut gar nichts von der eigentlichen aromatischen Tiefe der englischen Käsespezialität finden.

Das, was in diesem Burger verwendet wurde, war also auch bloß ein industriell gefertigter, milder und hochschmelzender Plastikkäse. Nur halt ohne den orangegelben Farbstoff, der in normalem Burgerplastikkäse benutzt wird.

In Kanada und den USA gibt es etliche Hersteller derartiger Produkte: Black Diamond, Chef Nutri, Kraft Heinz, Lactalis Food Service, Saputo, Sargento, Tillamook – alle bieten sie »aged white cheddar« an. Keiner davon entspricht dem bröseligen, kräftigen Cheddar-Profil britischer oder irischer Herkunft, sondern alle sind industriell auf das Schmelzverhalten für Burger und Sandwiches optimiert. Das Etikett »aged white cheddar« ist dabei bloß ein Marketingbegriff, unter dem ein kurz gereifter, pasteurisierter, sehr schmelzfreudiger Käse für den typischen Burger-Genuss vermarktet wird – mit transluzenter, homogener Schmelzdynamik und nichts, was ein Käseliebhaber als »lecker« bezeichnen würde.

Alles in allem: Die Karte verspricht mit der Bezeichnung »aged white cheddar« viel und liefert nichts. Das war schon sehr enttäuschend.

Allerdings war das farbarme Plastikkäsequadrat strategisch so auf dem Burger platziert, dass ich überzeugt bin, dass es eine ganz andere Funktion hatte, als für Geschmack zu sorgen. Nämlich als »Klebstoff« für die auf ihm liegenden Bestandteile des Burgers. Er hielt die Röstzwiebeln und Pilze an Ort und Stelle, die sonst garantiert überall, aber nicht auf dem Patty geblieben wären. Insofern: meinetwegen.

Apropos Pilze.

Die sautierten Pilze

Die sautierten Pilze – Champignons, wenn ich mich nicht irre – waren eine einzige Enttäuschung. Die Geschmacksrichtung von Pilzen ist bekanntlich umami. Die Geschmacksrichtung von denen auf dem Burger hingegen war nichtssagend.

Kein Wunder: Die Pilze waren superfein gehobelt, und beim Sautieren – also unter Schwenken auf hoher Hitze in Fett kurz und scharf anbraten – verliert derartiges Pilz-Carpaccio sofort seine Feuchtigkeit und quasi alles Aroma. Das Ergebnis ist geschmacklich fad und vom Mundgefühl her weich und matschig. All das also, was man nicht auf seinem Teller haben will.

Tipp: Wenn du Pilze sautieren möchtest, schneide sie in Stücke (nicht in Scheiben), die ungefähr so groß sind wie ein halber Daumen. So behalten sie ihre Struktur, verlieren kaum Wasser und entwickeln beim Kurzbraten auf hoher Hitze Röstaromen, statt matschig zu werden. Sehr dünn gehobelte Champignons hingegen kannst du entweder als Rohkost in deinen Salat geben oder – auch sehr geil – in einer frischen Zitronen-Vinaigrette oder einer leichten Kräutermarinade marinieren.

Soviel zu den Enttäuschungen. Glücklicherweise war der Rest des Burgers hervorragend.

Die hausgemachte Soße

Ja, sie stand auf der Karte. Ich habe sie allerdings weder gesehen noch irgendwie anders wahrgenommen. 🤷🏼‍♂️ Erst später fiel meiner Frau auf, dass mein Atem leicht nach Knoblauch roch – irgendwas muss insofern auf dem Burger gewesen sein. Aktiv aufgefallen ist mir die Soße also beim besten Willen nicht, ob nun mit oder ohne Knoblauch.

Klingt eigentlich wie ein vernichtendes Urteil über die Soße, oder? Aber ist es jetzt tatsächlich ein schlechtes Zeichen, wenn sich die Burgersoße nicht im Vordergrund präsentiert? Nein! Im Gegenteil! Denn wenn eine Burgersoße so prominent ist, dass du sie direkt schmeckst, kann der Rest des Produkts einfach nichts Besonderes sein. (Looking at you, Big Mac.) Bei der Soße des Fully Loaded Burgers hingegen wäre sie mir vermutlich nur dann aufgefallen, wenn sie gefehlt hätte. Aber sie hat genau das getan, was sie sollte: Sie hat den Burger komplettiert und abgerundet.

Das Toasted Potato Roll

Hätte auf der Karte nicht extra »geröstetes Kartoffelbrötchen« gestanden, wäre mir nicht aufgefallen, dass es sich nicht um ein Standard-Brioche gehandelt hätte. Es war vielleicht etwas fester und etwas weniger fluffig als ein solches, aber visuell und geschmacklich empfand ich es als schwierig, es von einem anderen qualitativ hochwertigen Burger-Bun zu unterscheiden. Aber: Im nächsten Abschnitt komme ich noch einmal darauf zurück, was mir sehr gut an diesem speziellen Brötchen gefallen hat.

Das Zeugs aus dem Gemüsegarten

Der frische Salat, der ganz zuunterst auf dem Bun lag, war bereits in kleine Streifen geschnitten. Die eigentliche Funktion des Salatblatts ist ja nicht, lecker und gesund zu sein, sondern ein Durchweichen des unteren Buns mit den Flüssigkeiten der darauf liegenden Zutaten zu verhindern.

So ein ganzes Salatblatt hat aber einen entscheidenden Nachteil: Alles, was auf diesem Blatt liegt, tendiert dazu, hin- und herzurutschen, womit dann über kurz oder lang alles wegflutscht und am Ende nichts mehr zwischen den Brötchenhälften liegt. Die kleinen Salatfetzen sorgten dafür, dass dieser Nachteil aufgehoben wurde.

Allerdings litt die eigentliche Salat-Funktion als Flüssigkeitsbremse erheblich darunter. Sowohl der Saft der Tomate als auch der des Fleisches sickerte also ungehindert durch. Ein normales Brioche-Bun hätte gegen Ende des Mahls eigentlich in Auflösung begriffen sein müssen. Dieses hier aber war es nicht. Zwar war die untere Hälfte des Potato Rolls bei den letzten Bissen ziemlich mit allerlei Säften gesättigt, aber es blieb absolut formstabil. Und das fand ich schon echt bemerkenswert. Top Bun!

Die Tomate bestand aus einigen dünnen Scheibchen, die mir beinahe gar nicht aufgefallen wären. Normalerweise finde ich die Tomatenscheiben auf Burgern ja zu dick geschnitten. Das ist zwar gut gemeint (»Hey, unser Junkfood liefert dir gesunde Vitamine!«), aber diese Scheiben sondern halt unter der Wärme des Pattys auch ziemlich schnell ihren ganzen Saft ab, der dann von den Seiten des Burgers heruntertrieft und eine riesige Sauerei veranstaltet. Das war hier mangels Masse nicht der Fall, und die Säfte der Tomate wanderten durch den Salat direkt in die Potato Roll, wo sie einfach aufgesogen wurden. Was den Geschmack angeht – ich habe eines der Tomatenscheibchen solo probiert –, kamen mir selbst die berüchtigten Hollandtomaten der 1980er Jahre in meiner Erinnerung intensiver vor.

Zwischenfazit zum frischen Gemüse

Grundsätzlich habe ich den Eindruck gehabt, dass das frische Gemüse – Salat und Tomate – nur der Vollständigkeit halber auf dem Burger zu finden war. Aber ich glaube, das gilt für jeden Burger – schmecken tut man das Zeug eh nie so recht.

Die Pickles

Irgendwo in den unteren Bereichen des Fully Loaded Burgers steckten auch die Pickles, also die eingelegten Gurken. Ich bin ein riesiger Liebhaber eingelegter Gurken, besonders (natürlich!) der Spreewaldgurken. Auch im eigenen Garten gibt es jedes Jahr Gurken, die ich selbst in meinem eigenen Spezialsud einlege.

Es gab ziemlich viele in recht dicke Scheiben geschnittene Pickles. Viele Pickles auf Burgern finde ich gut – allerdings nur dann, wenn sie auch schmecken. Vorsichtig zog ich also eine heraus und probierte sie solo.

Oh wow.

Was für geniale Gurken! Süß, sauer, würzig, fruchtig, ein winziger Hauch von Bitterem, dann plötzlich wieder Süße und Säure, alles begleitet von harmonischen Anteilen von Salz und Gewürzen – all das knallte mir in Sekundenbruchteilen durch meine Synapsen.

Diese Pickles: für mich Glückseligkeit pur.

Ich kann es nicht anders sagen: Noch nie habe ich eine bessere Burgergurke gehabt. Das war also die beste Burgergurke der Welt. Ob die mir im Central Restaurant wohl verraten, wo sie diese Gurken herbekommen, wenn ich ganz, ganz lieb frage?

Der Certified Angus Beef®-Patty

Etwas irritiert hat mich der Patty, der in der Karte mit einem eingetragenen Markenzeichen versehen ist: »certified angus beef®«. Zertifiziertes Angus-Beef mit Markenschutz? Das musste ich zunächst einmal genauer recherchieren.

WTH ist Certified Angus Beef mit Registered Trademark?

Es stellte sich heraus, dass »Certified Angus Beef« mit dem ®-Markenzeichen ein besonders hochwertiges Rindfleisch aus den USA ist. Die Marke ist von der American Angus Association entwickelt worden. Das Fleisch, das dieses Label tragen darf, muss strenge Qualitätskriterien erfüllen, die weit über den üblichen Standards liegen.

Entscheidend sind dabei Merkmale wie Marmorierung, Zartheit, Saftigkeit, Geschmack und die optische Qualität; diese werden im Schlachthof von speziell geschulten Prüfer:innen bewertet, nachdem das Fleisch zerlegt wurde. Weniger als ein Drittel der für das Programm geeigneten Rinder bestehen tatsächlich alle Anforderungen, sodass das Fleisch meist in den oberen Qualitätsklassen der USA – wie »Prime« oder »Choice« – angesiedelt ist.

Durch den Markenschutz dürfen nur autorisierte Partner:innen, die die hohen Qualitätsvorgaben erfüllen und eine Lizenzvereinbarung abgeschlossen haben, dieses Siegel verwenden. Das sichert zum einen die gleichbleibend hohe Qualität für die Konsument:innen und verhindert zum anderen, dass mit solchen Begriffen beliebig geworben wird. Als Restaurantbesucher:in kannst du also davon ausgehen, dass ein Burger mit »Certified Angus Beef®« nachweislich besonders hochwertiges, zartes und aromatisches Rindfleisch enthält, das über die Standards von gewöhnlichem Rindfleisch hinausgeht und nicht bloß ein werbewirksames Etikett trägt.

Hält der Patty das Versprechen?

Kurz gesagt: Ja.

Der Patty kam in einer Smashed-Variante. Der geschmackliche Vorteil eines Smashed Burgers liegt vor allem in der intensiven, karamellisierten Kruste mit vielen Röstaromen. Die entsteht, weil das frische, rohe Hackfleisch als Ball auf die sehr heiße Oberfläche der Grillplatte gelegt und dann mit einer Burgerpresse flachgedrückt wird. Die Außenseite des Pattys wird dadurch besonders knusprig, während das Innere seine Saftigkeit und lockere Struktur behält.

Das Geschmackserlebnis eines Smashed Burgers ist also eine Kombination aus krosser Kruste und saftigem Fleischkern, und gerade dieses Zusammenspiel hebt ihn deutlich von klassischen Burger-Pattys ab und macht ihn für viele zu einem besonderen Genuss. Auch für mich.

Als der Burger vor mir stand, habe ich vorsichtig nachgeschaut, welche Garstufe er hat. Natürlich: komplett durchgebraten. Ich hatte ja keine Chance gehabt, meinen Wunsch nach medium rare zu äußern. Ärgerlich.

Oder?

Nein. Das Fleisch in diesem Fully Loaded Burger im Central Restaurant Vancouver Bentall war vorzüglich. Mehr kann ich dazu eigentlich gar nicht sagen: wirklich vorzüglich.

Offenbar wirkt sich das Markenschutz-Zertifikat tatsächlich dramatisch auf die Qualität des Fleisches aus. Ich habe ja schon oft Smashed-Burger gegessen, aber noch keinen, der so lecker war. Saftig innen, kross außen, intensiver Fleischgeschmack – und das, obwohl der Patty komplett durchgebraten war! Phänomenal. PHÄ-NO-ME-NAL!

Der Patty alleine war eine 1+ mit Marienkäfer und Sternchen.

Die Röstzwiebeln

Auf dem Patty zerlief der oben besprochene Käse, auf dessen einer Hälfte die ebenfalls oben besprochenen Pilze keinerlei Wirkung entfalteten. Auf der anderen Hälfte des Plastikcheddars hafteten überraschend wenige, aber sehr knusprige Röstzwiebeln.

Um genau zu sein, handelte es sich mehr um kleine Brösel von Röstzwiebeln, so, als wären sie aus Zwiebelwürfeln hergestellt worden statt aus den einzelnen Schichten eines Zwiebelhalbmonds. Sie verbreiteten ein intensives Aroma und verliehen dem Burger einen kräftigen Crunch.

Ich bin ein großer Freund von guten Röstzwiebeln, und diese hier waren zweifellos hervorragend. Normalerweise hätte ich gerne etwas mehr davon gehabt. Aber ich muss zugeben, dass diese kleine Menge der Zwiebelchen tatsächlich optimal für den Fully Loaded Burger war.

Denn sogar mit so wenig Masse haben sie die Komplexität des Geschmacksprofils noch einmal ordentlich nach oben geschraubt und das ganze Gericht auf eine neue Ebene geholt. Noch mehr davon hätte möglicherweise die Balance der Aromen gestört.

Der Bacon

Hatte ich oben dem Smashed-Patty nicht schon eine 1+ mit Marienkäfer und Sternchen gegeben? Das bringt mich jetzt etwas in Bedrängnis, denn als krönender Abschluss kam auch noch salzig, rauchig und herzhaft: der Bacon.

Die gebratenen Speckscheiben kringelten sich in einer üppig bemessenen Portion zuoberst direkt unter der oberen Hälfte des Brötchens.

Glücklicherweise war er nicht kross und hart gebraten, sondern so zart, dass seine Säfte noch austreten und ihre magische Wirkung auf meine Geschmacksknospen entfalten konnten.

»Alles schmeckt besser mit Bacon.« Ja, das stimmte hier besonders.

Zwischenfazit zum Burger:

Ich bin mir ehrlich unsicher, ob die Gurken, der Patty oder nicht vielleicht der Bacon der Höhepunkt des Fully Loaded Burgers war. Wenn ich mir das Zusammenspiel aller Komponenten ansehe, muss ich sagen, dass das schon ziemlich nah dran am perfekten Burger war.

Darum würde ich ihm eigentlich gerne eine glatte 1 geben.

Doch wegen der unredlichen Behauptung eines Aged White Cheddars, der sich dann aber bloß als farblose Industrieschmelzkplastikscheiblette entpuppte, bin ich offen gestanden ein wenig beleidigt. Und auch die sautierten Pilze empfinde ich als vertane Chance.

Darum landet der Burger bei einer guten 2+.

Stanley Park Sunsetter Peach Wheat Ale

Ein 14 Oz.-Glas (ca. 400 ml) Stanley Park Sunsetter Peach Wheat Ale
Ein 14 Oz.-Glas (ca. 400 ml) Stanley Park Sunsetter Peach Wheat Ale

Ich hatte Evan nach einem lokalen Bier gefragt, und ohne auch nur im Geringsten zu zögern, hat er sofort auf das Stanley Park Sunsetter Peach Wheat Ale gezeigt.

Wheat Ale ist – haltet euch fest – nichts anderes als Weißbier. In Nordamerika, wo bereits gelblich gefärbtes Wasser als Bier durchgeht, wurde es vorwiegend von Craft-Brauereien populär gemacht. Allerdings handelt es sich um eine moderne Interpretation des deutschen Stils und sie hat wenig mit unserem traditionellen Weißbier zu tun. Der entscheidende Unterschied zwischen Nordamerika und Deutschland liegt in der Verwendung einer anderen Hefe.

Im Gegensatz zum deutschen Weizenbier fehlen die typischen Bananen- und Nelkenaromen. Stattdessen hat Wheat Ale ein reineres, mildes Malzaroma und kann je nach Hopfung zitrusartige oder blumige Noten aufweisen. Wheat Ales dienen häufig als Basis für Fruchtbiere, wie in diesem Fall das Peach Wheat Ale.

Gebraut wird dieses Peach Wheat Ale in einer Brauerei im Stanley Park, einer Vancouver vorgelagerten Halbinsel, die den größten Park der Stadt mit Stränden, Spazierwegen, dem Vancouver Aquarium und einer malerischen Ufermauer beherbergt.

Das Bier kommt in einem unspektakulären Wasserglas, das 14 Unzen fasst. Unzen? Ja, Kanada macht dieses komische britische Mischmasch mit, das einige der völlig aus der Zeit gefallenen, komplett unbrauchbaren und nicht miteinander verrechenbaren imperialen Einheiten mit dem absolut logischen, durchdachten metrischen System vermischt.

Es ist total verrückt: Draußen sind 25 Grad Celsius, aber die Tiefkühlpizza wird bei 375 Grad Fahrenheit gebacken. Das Auto fährt mit 80 km/h, aber das Ziel ist zwei Meilen die Straße runter entfernt. Ich wiege 83 Kilo, aber in den Kuchen müssen zwei Tassen Mehl, eine Tasse Zucker, eine Tasse Butter und eine halbe Tasse Milch. In der Wasserflasche aus dem Supermarkt sind 1,5 Liter, aber das Wasserglas fasst 14 Unzen.

Ach ja, da sind wir wieder: 14 Unzen sind etwas mehr als 410 Milliliter. Und weil wir gerade bei »britisch« sind – das Bier, das mir im Central Restaurant auf den Tisch gestellt wird, hat keine Schaumkrone. Denn man will ja nicht für Schaum bezahlen, sondern für Bier.

Mein unfiltriertes, naturtrübes Pfirsichweißbier aus dem Stanley Park duftet intensiv nach der Frucht und schmeckt auch so. Die leichten 4,8 Volumenprozent spüre ich beim Trinken kaum. Außerdem ist das Bier kein bisschen herb. Später las ich auf der Website der Brauerei, dass es auch nur 16 über Bittereinheiten (International Bitterness Units oder IBU) verfügt. Das ist zwar mehr, als typische deutsche Weißbiere besitzen, die sich mit wenigen Ausnahmen zwischen 9 und 12 IBU bewegen. Aber es ist noch immer weit entfernt vom Pilsner. Krombacher hat als mildestes aller Fernsehwerbungsbiere 24 IBU, Bitburger 33, und das herbe Jever bringt sogar 40 IBU auf die Waage, wo es sich mit dem Pils überhaupt messen darf: mit Pilsner Urquell. Das hat ebenfalls 40 IBU.

Eine Ausnahme bei der Bitterkeit bildet übrigens Beck’s – denn das hat, obwohl es ein Pils zu sein vorgibt, einen IBU-Wert von gerade einmal 12 und stößt damit gefährlich nahe in die Regionen des gelblichen Wassers aus Nordamerika vor (Coors Light und Miller Lite haben lediglich 10 IBU, und das berüchtigte Bud Light unterschreitet mit seinen lächerlichen 7 IBU die Bitterkeit simpler Kräutertees).

Aber zurück zum Stanley-Park-Bier: Im Mittelpunkt des Geschmacksprofils dieses Wheat Ales stehen süß-fruchtige Aromen von reifem Pfirsich. Beim Brauen wird Citra-Hopfen eingesetzt, wie ich der Website entnehmen konnte. Das ist ein moderner Aromahopfen aus den USA, der ein ausgeprägtes Aroma von Zitrus- und tropischen Früchten mitbringt. Ich kannte ihn bisher nur von IPAs, also India Pale Ales, wo er für die zitronige Note sorgt.

Das Stanley Park Sunsetter Peach Wheat Ale wurde übrigens mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, darunter mit dem ersten Platz bei den BC Beer Awards 2015, Gold bei den World Beer Championships 2015 und Gold in der Kategorie Fruit Wheat Beer bei der Los Angeles International Beer Competition 2017 sowie weiteren Preisen.

Aber von Preisen lasse ich mich nicht beeindrucken – das Getränk muss mich schon selbst überzeugen. Den Hype um Craftbiere kann ich nicht unbedingt immer nachvollziehen, und insbesondere bei Weißbier bin ich ziemlich eigen. Das darf gern schön traditionell bleiben.

Das Stanley Park Sunsetter Peach Wheat Ale hat mir gut geschmeckt, ist aber offen gesagt nichts Besonderes. Mit einer Schulnote 3 ist es gut bedient.

Das Fazit

Die Shoestring Fries haben mich voll und ganz überzeugt, der Fully Loaded Burger mit den genannten Einschränkungen bei Käse und Pilzen auch. Das Bier habe ich nur der Vollständigkeit halber aufgeführt und ist nicht Teil dieser Wertung.

Insgesamt kann ich das gesamte Gericht mit bestem Gewissen mit einer knappen 1 auf der Schulnotenskala bewerten. Das ist schon ein echt hohes Niveau, an dem ich hier herummäkele.

Und wie sieht es aus mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis? Aktuell, im August 2025, ist der Wechselkurs zwischen kanadischem Dollar und Euro ausgesprochen günstig.

Die Preisangaben auf den Karten sind – das ist hier üblich – Nettopreise. Da werden dann am Ende noch 5 % GST (eine Bundessteuer namens Goods and Services Tax) und in British Columbia 7 % PST (Provincial Sales Tax) aufgeschlagen. Bei alkoholischen Getränken wie meinem Bier werden sogar 10 % PST fällig.

Mein Fully Loaded Burger kostete netto 23,75 CAD und inklusive der insgesamt 12 % Steuern 26,60 CAD. Das entspricht überraschend günstigen 16,67 Euro. In Deutschland müsste man allein schon wegen der Lage und der Trendigkeit des Restaurants mit einem höheren Preis rechnen. Aber dann noch in dieser hohen Qualität? Das würde locker deutlich in Richtung 25 Euro gehen.

Alkohol ist in Kanada ohnehin schon verhältnismäßig teuer, dazu kommt die erhöhte Steuer. So lag dann das ca. 0,4-Liter-Bier (8,50 CAD netto) bei 9,78 CAD inklusive 15 % Steuern, also bei 6,13 Euro. In Deutschland wäre bei einem normalen Weißbier eher mit einem Preis von um die 4,50 zu rechnen gewesen. Craft-Weizenbiere sind aber auch bei uns teurer – der Median liegt so bei um die 5,50 Euro.

Nun waren wir ja zu dritt im Central Restaurant Vancouver Bentall. Wir alle drei haben lecker gegessen und gut getrunken. Alle waren satt, alle fanden ihr jeweiliges Essen hervorragend. Inklusive aller Steuern und 20 Prozent Trinkgeld für den sehr aufmerksamen Evan habe ich 111,78 kanadische Dollar bezahlt – das sind tagesaktuell 69,94 Euro insgesamt oder umgerechnet 23,31 Euro pro Nase.

Da kann man echt nicht meckern.

Und darum meckere ich auch nicht. Wenn ihr mal zufällig in Vancouver seid, spricht absolut nichts gegen einen Besuch im Central Restaurant Vancouver Bentall.

Ein Blick in den Gastbereich im Central Restaurant Vancouver Bentall
Ein Blick in den Gastbereich im Central Restaurant Vancouver Bentall

Cottage Pie im Molly Darcy’s Wien

Aus irgendeinem Grund endete unser Familienurlaub in Wien am Montag, unserem letzten Abend in der österreichischen Hauptstadt, ausgerechnet in einem Irish Pub statt einer echten Wiener Traditionsgastwirtschaft, nämlich im Molly Darcy’s Irish Pub im 1. Wiener Bezirk.

Schon zwei Tage zuvor, am Samstag, hatte ich im Internet für 19 Uhr und sechs Personen reservieren wollen, aber anders als gedacht, konnte ich lediglich eine Reservierungsanfrage senden. Sehr skurril.

Die E-Mail, die ich erhielt, kam automatisiert und sagte:

Thank you for requesting a table at Molly Darcys!

[Reservierungsdetails]

Auto System E-Mail —> your request reached our inbox and will be answered shortly during our opening hours.

this is not a confirmation of reservation!

See you soon,
Molly Darcys

Ja, nun. Man gut, dass ich halbwegs flüssig Englisch verstehe, denn meine Schwiegereltern wären aufgeschmissen gewesen. Immerhin kam tags darauf auch die Reservierungsbestätigung.

Die Website des Irish Pubs ist übrigens nicht gerade besonders günstig gestaltet, wenn man vorab einfach mal einen Blick auf die Speisekarte werfen will. Denn die ist auf der Website lediglich in Form zweier Bilder hinterlegt (Vorder- und Rückseite der gedruckten Speisekarte) – und zwar in den geradezu bizarren Abmessungen von 3283 × 1753 Pixeln. Das ist selbst für das Display meines MacBook Pro viel zu groß, denn das kann nur 1800 × 1169 Pixel darstellen. Auf einem iPhone ist das komplett unbrauchbar.

Wie auch immer. Los geht’s mit dem Ambiente.

Das Ambiente

  • Schild über der Eingangstür des Molly Darcy’s in Wien
  • Eingangsbereich des Molly Darcy’s in Wien
  • Außenbereich des Molly Darcy’s in Wien
  • Schankbereich mit Tresen, Stehtischen und Barhockern im Molly Darcy’s in Wien
  • Blick in den Schankbereich im Molly Darcy’s in Wien
  • Tische und Stühle vor den Toiletten im Molly Darcy’s in Wien
  • Toilettentüren im Molly Darcy’s in Wien

Das Molly Darcy’s ist das, was wir als Eckkneipe bezeichnen würden. Es befindet sich nämlich in einem Eckhaus. Wir betraten das Molly Darcy’s nicht durch den Haupteingang am Eck, sondern durch den, der vor dem bereits jetzt, kurz vor 19 Uhr, gut gefüllten Außenbereich lag. Damit standen wir im leeren Gastraum, der sich aber nach und nach noch füllen sollte.

An der Theke empfing uns eine junge Dame, die sich als unsere Bedienung für den Abend herausstellen sollte, und führte uns in den Bereich hinter dem eigentlichen Haupteingang. Dort gab es einige wenige Tische mit gepolsterten Sitzbänken, die allerdings eigentlich nur für vier Personen geeignet waren. An einem, auf dem ein »Reserviert«-Schild stand, waren an das Kopfende noch zwei Stühle gestellt – unser recht beengter Tisch für den Abend. Meine ziemlich dünne Schwiegermutter und meine Frau (die natürlich ebenfalls gertenschlank ist) setzten sich hierher und gönnten dem Rest die Bänke.

Wie nicht anders zu erwarten, versprühte auch dieses Irish Pub den Charme eines – nun ja, eines Irish Pubs halt. Außer in Irland sehen die überall gleich aus: dunkles Holz, Glaselemente, Plakate mit Zitaten irischer Intellektueller, irgendwelche wahllosen Bücher auf Regalbrettern, Schiefertafeln mit irischen Biersorten und Hinweisen auf das Pub Quiz, irische Whiskey-Folklore wie Jameson-Fässern vor den Toiletten, Jameson-Spiegel an der Wand. Und wie jedes Irish Pub wirkte auch dieses ein wenig abgerockt. Aber das, so glaube ich, ist irgendwie Absicht, denn das Abgerockte wirkt in jedem Irish Pub sehr gezielt. Denn wie in jedem Irish Pub fühlte ich mich sofort sauwohl.

Der Service

Noch so ein Ding, das ganz gezielt in allen Irish Pubs der Welt gemacht wird: Der Service spricht Englisch mit einem. Auch wenn alle Beteiligten eigentlich muttersprachlich Deutsch sprechen – so wie hier. Allerdings war das bei unserer Bedienung ausgesprochen witzig. Denn zu Beginn sprach sie Deutsch mit uns – um dann später ganz plötzlich und quasi mitten im Satz ins Englische zu wechseln. Das verwirrte sie selbst ein bisschen.

Abgesehen von dieser lustigen Episode gibt es absolut nichts, was nicht perfekt gelaufen wäre. Von der Begrüßung bis zur Verabschiedung war sie für uns (und alle anderen Gäste im Laden!) da. Sie nahm unsere Bestellungen auf, brachte kurz darauf die Getränke (ich hatte ein Pint Stringbow Cider. Das kommt aus England! In einem Irish Pub!). Wiederum kurz darauf schleppte sie zusammen mit einem Kollegen (der ein wirklich kerniges Englisch sprach – ich nehme an, dass der Mann tatsächlich ein Ire war) unsere Speisen herbei.

Der Tisch, der eigentlich für vier Personen gedacht war, war dann erst einmal knüppelvoll gestellt.

Nachdem wir fertig gegessen hatten, trug sie schleunigst alles wieder davon, damit wir wieder Platz auf dem Tisch hatten, ließ uns dabei aber nie auf dem Trockenen sitzen. Alles in allem: Liebes Molly Darcy’s, haltet diese Frau fest. Die ist toll.

Die Bestellung

Mein Sohn und mein Schwiegervater hatten sich Schnitzel Wiener Art bestellt (oder wie es auf der Karte heißt: Schnitzel Vienna Style), und mein Sohn war restlos begeistert. Obwohl es sich um Schweineschnitzel handelte, war das anscheinend das beste Schnitzel, das er in den letzten 5 Tagen gegessen hatte. In Wien. In einem Irish Pub. Und tatsächlich: Es war unglaublich gut souffliert – die Panade schmiegte sich in großen, fluffigen, luftigen Wellen um die zwei großen Fleischstücke herum. Auch seine Pommes fand er super, und die Preiselbeersoße hat er ebenfalls vollkommen leer gemacht. Probieren durfte ich allerdings nicht.

Meine Schwägerin und meine Frau hatten sich Fish & Chips bestellt, die ebenfalls fantastisch waren (da durfte ich wenigstens mal probieren). Der Fisch war in einem tollen Teig ausgebacken, die Chips waren (glücklicherweise) knusprig frittiert, und nicht blass und schlapp ein bisschen in Öl gekocht, wie das in England üblich ist. Und dazu gab es eine unglaublich gute Tartarsoße. Meine Schwiegermutter begnügte sich mit der Tagessuppe, einer Brokkolicremesuppe, die sie zusammen mit krossem Toast bekam. Die war wohl auch ziemlich gut.

Aber ich hatte mir etwas bestellt, was wenigstens irischen Ursprungs war: Cottage Pie.

Cottage Pie mit gemischtem Salat

Cottage Pie mit Salatbeilage im Molly Darcy’s in Wien
Cottage Pie mit Salatbeilage im Molly Darcy’s in Wien

Im Englischen bezeichnet »Pie« ein Gericht, das aus einer Füllung (herzhaft oder süß) besteht, die von einer Teighülle umschlossen oder zumindest mit einem Teigdeckel bedeckt ist. Pies können sowohl herzhaft (zum Beispiel mit Fleisch, Fisch, Gemüse) als auch süß (zum Beispiel mit Obst oder Creme) gefüllt sein.

Der Cottage Pie ist herzhaft. Es handelt sich bei ihm um einen Auflauf aus Hackfleisch vom Rind und variablem Gemüse (meist Karotten, Erbsen, Zwiebeln, Sellerie und Lauch). Die Masse ist mit Thymian, Rosmarin, Worcestershire Sauce (siehe Exkurs unten), Salz und Pfeffer abgeschmeckt und wird mit einer Schicht aus Kartoffelpüree abgedeckt, die im Ofen zur Kruste wird. Oft wird der Pie auch mit Cheddar überbacken, aber das ist optional. Wenn Lammfleisch statt Rind verwendet wird, heißt dasselbe Gericht übrigens »Shepherd’s Pie«.

Exkurs zur Aussprache von »Worscestershire Sauce«

Worcestershire Sauce (auf dem deutschen Markt oft nur als »Worcestersoße« angeboten) wird nicht etwa »Wortschesterschaiersoße« (bzw. »Wortschestersoße«) ausgesprochen, sondern /ˈwʊstə ʃə sɔːs/. Das klingt etwa wie: »Wuster-scha-Soß« (kurzes »u«, das »r« wird kaum ausgesprochen). Wer besonders lustig sein will, kann aber auch gern »Wash your sister sauce« sagen. Exkurs Ende.

Sowohl England als auch Irland beanspruchen den Cottage Pie als Teil ihrer nationalen Küche, was kein Wunder ist, da Irland zur Zeit der Entstehung des Gerichts Teil eine englische Kolonie war. Die Bezeichnung »Cottage Pie« tauchte erstmals Ende des 18. Jahrhunderts auf, als Kartoffeln zu einem Grundnahrungsmittel für die ärmeren Bevölkerungsschichten in Großbritannien und Irland wurden.

Ursprünglich, als der Pie noch ein Arme-Leute-Essen war, wurden Fleischreste mit Gemüse und Kartoffeln kombiniert, um ein günstiges und sättigendes Essen zu schaffen. Jetzt kann man es in Wien für 16,60 Euro im Molly Darcy’s Irish Pub bestellen, und er kommt mit einem ziemlich großen Salat.

Der Salat

Erinnert ihr euch noch an den Salat, den ich im Huber’s hatte? Der Salat hier im Molly Darcy’s war im Prinzip nicht viel mehr – Blattsalat halt. Aber guckt euch an, um wie viel schöner er angerichtet ist:

Cottage Pie mit Salatbeilage im Molly Darcy’s in Wien
Cottage Pie mit Salatbeilage im Molly Darcy’s in Wien

Gurken und Tomaten lagen obenauf, ein paar Raspeln einer Möhre, Petersilie und immerhin ein Dressing, das nach was schmeckte. Ob das hausgemacht war, bezweifle ich zwar, aber das war schon okay. Ein Pub ist keine Topgastronomie.

Der Salat war frisch und superknackig, und ich habe ihn mit großem Appetit verspeist, während ich darauf gewartet habe, dass der Glutofen mit dem Cottage Pie daneben wenigstens etwas abkühlt.

Ich wartete vergebens und habe mir trotzdem den Schnüssel verbrannt.

Aber der Salat bekommt von mir schon einmal eine solide Schulnote 2.

Der Cottage Pie

Goldgelb und dampfend stand sie vor mir, die ziemlich große Schale mit dem innerlich noch immer brodelnden Cottage Pie. Schauen wir uns mal die einzelnen Bestandteile an.

Der Käse

Käse ist bei Cottage Pie optional. Wenn ich selbst Cottage bzw. Shepherd’s Pie mache, lasse ich ihn normalerweise weg. Stattdessen ziehe ich mit der Gabel Furchen in die Kartoffelbrei-Decke, was dann beim Backen zu unterschiedlich stark gerösteten »Bergen« und »Tälern« mit unterschiedlichem Mundgefühl führt. Aber auch mit Käse mag ich das Gericht sehr gern.

Die große Scheibe Cheddar, die hier obendrauf lag, war zunächst etwas zerlaufen und dann knusprig geworden. Entweder war der Pie auf den Punkt genau aus dem Ofen gekommen, sodass der Käse nicht verbrannt ist, oder er ist erst nach dem Ofen draufgelegt und mit dem Flambierbrenner behandelt worden. Einerlei – er traf exakt den Sweetspot zwischen Knusprizität und elastischen Käsefäden, sobald ich ihn mit dem Löffel durchgestoßen hatte. Fantastisch!

Cottage Pie im Molly Darcy’s in Wien
Cottage Pie im Molly Darcy’s in Wien

Der Kartoffelbrei

Unter dem Käse sorgte die Decke aus Kartoffelbrei dafür, dass ich bis zum Ende eine richtig heiße Füllung hatte. Da hier alles mit Käse überbacken war, gab es auch keine Gabel-Furchen in der Decke.

Der Kartoffelbrei war wirklich schön fluffig, locker geschlagen und nur leicht gesalzen. Ich hatte auch das Gefühl, dass viel Butter, vielleicht sogar Sahne, in den Brei eingearbeitet war, was immer ein gutes Zeichen ist.

Und so muss ich sagen, dass der Kartoffelbrei vorzüglich war. Allerdings war das ganz schön viel Brei und ganz schön wenig Füllung.

Die Füllung

Das übliche Verhältnis von Füllung zu Kartoffelbrei bei Cottage Pie liegt bei etwa 1 zu 1, höchstens bei 1 zu 1,5. Hier jedoch betrug die Füllung vielleicht ein Drittel der Menge des Gerichts. Die Decke aus Kartoffeln war hier also ungewöhnlich dick, und das enttäuschte mich zunächst etwas.

Auch war die Füllung aus irgendeinem Grunde geradezu nass. Sie bestand aus ziemlich wenig Fleisch und recht viel Gemüse, was zwar dem traditionellen Arme-Leute-Essen entspricht, aber heute nicht mehr zeitgemäß ist. Heute sollten sich Fleisch und Gemüse in der Füllung eines Cottage Pie in etwa die Waage halten.

Cottage Pie im Molly Darcy’s in Wien
Cottage Pie im Molly Darcy’s in Wien

Das Gemüse bestand aus zwei Sorten Möhren (orange und gelb), aus Erbsen, grünen Bohnen, Lauch und Zwiebeln, soweit ich das identifizieren konnte. Das ist ein hübscher bunter Strauß an Gemüse, was mir sehr gefallen hat.

Anfangs hatte ich das Gefühl, die Füllung sei gar nicht gewürzt. Glücklicherweise entpuppte sich das als Trugschluss – ich hatte wohl nur in dem Moment einfach zu viel Kartoffelbrei auf dem Löffel. Tatsächlich war die Füllung sogar wunderbar kräftig gewürzt, so wie es sein sollte.

Je mehr ich vom Gericht aß, desto weniger doof fand ich übrigens auch die Nässe, die sich am Boden der Schale gesammelt hatte; denn der viele Kartoffelbrei wäre ganz ohne diese Flüssigkeit schwer zu ertragen gewesen.

Insgesamt bin ich recht zufrieden mit diesem Cottage Pie gewesen. Ich hatte zwar zuvor schon mehrfach bessere Pies dieser Art gegessen, aber das war auch immer entweder in Irland oder Schottland gewesen. Dafür, dass das hier ein Irish Pub in der Alpenrepublik und das Gericht auch nicht besonders teuer war, würde ich sagen: Das war total okay.

Abzüge gibt es allerdings für das ungünstige Verhältnis von Füllung zu Kartoffeln sowie für den relativ geringen Anteil an Fleisch in der Füllung, und so gebe ich diesem Cottage Pie als Schulnote eine glatte 3.

Das Fazit

Würde ich noch einmal ins Molly Darcy’s gehen? Aber absolut! Das Ambiente ist wunderbar, der Service ist toll, und rings um mich herum waren alle mit ihrem Essen mehr als nur zufrieden. Ich mäkele hier ja mit geradezu böswilliger Absicht an allem herum, was ich finde.

Beim nächsten Mal würde ich vielleicht das Irish Stew ausprobieren, oder auch die Fish & Chips. Und den Cottage Pie? Ja, auch den würde ich wieder bestellen, allein schon aus dem Grund, weil ich das Zeug so wahnsinnig gern esse und es so wahnsinnig selten angeboten wird.

Warmer Apfelstrudel mit Wiener Melange im Café Schwarzenberg Wien

Wenn man schon mal in Wien ist, dann muss man natürlich auch in ein traditionelles Wiener Kaffeehaus gehen. Denn die Wiener Kaffeehauskultur ist so besonders, dass sie seit 2011 von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe geführt wird. »Die Kaffeehäuser«, so die Begründung der UNESCO, »sind ein Ort, in dem Zeit und Raum konsumiert werden, aber nur der Kaffee auf der Rechnung steht«. Und das finde ich eine wunderschöne Formulierung.

Auch wenn das Kaffeehaus nicht in Wien erfunden wurde (Jahrzehnte vorher gab es schon welche in Venedig, Oxford und London, kurz danach auch in Paris), so stecken sie doch bis heute voller gesellschaftlicher, künstlerischer und politischer Relevanz. Vom Biedermeier bis zur Moderne fungierten sie als Räume für demokratische Clubs, Redaktionsstuben und Literaturbüros. Autor:innen wie Schnitzler, Zweig und Altenberg schrieben hier ihre Manuskripte, Politiker:innen organisierten Debatten, Künstler:innen diskutierten Stilfragen.

Das Café Schwarzenberg, in das wir eingekehrt sind, wurde 1861 gegründet und bezeichnet sich selbst als »Wiens ältestes Ringstraßen-Café«. Diese Behauptung nehme ich jetzt einfach mal ohne Faktencheck so hin.

Ich beginne dieses Mal mit dem Service, nicht mit dem Ambiente, und das hat einen Grund.

Der Service

Im Eingangsbereich im Café Schwarzenberg wird eine große Zahl unterschiedlicher Kuchen gezeigt.
Im Eingangsbereich im Café Schwarzenberg wird eine große Zahl unterschiedlicher Kuchen gezeigt.

Mit sechs Personen kann man schlecht irgendwo aufschlagen und erwarten, dass spontan genug Platz da ist. Besonders dann, wenn man unbedingt in ein ganz bestimmtes Lokal gehen möchte, so wie wir. Denn schon vor zwei Jahren waren meine Frau, mein Sohn und ich im Café Schwarzenberg und fanden es fantastisch.

Also wollten wir auch dieses Mal hin, nur eben mit sechs Personen. Eigentlich hatte ich vor, für den Nachmittag im Internet zu reservieren – doch im System der Website waren erst abends Plätze frei. Wir hatten uns daher eigentlich vom Gedanken verabschiedet, das Schwarzenberg nehmen zu können. Aber eher zufällig kamen meine Frau und ich während eines gemeinsamen Spaziergangs am späten Vormittag am Café vorbei und wir sagten uns: »Fragen kostet nix.«

Also sind wir rein, wurden von zwei Obern empfangen und brachten unser Anliegen vor. Sofort machten sich die beiden daran, zu schauen, ob sie für uns am Nachmittag noch drei Zweiertische zusammenschieben konnten – und sie konnten. Sie bewegten einfach andere Platzreservierungen hin und her, um unseren Besuch irgendwie möglich zu machen. Während der ganzen Aktion machten sie Späße untereinander (»Die Leut’ schieb’ ich dir zu, dann kannst du deinen Feierabend vergessen« – »Na, da werd’ ich mich schon für revanchieren!«). Offensichtlich mochten sich die zwei, und offensichtlich war das Betriebsklima im Schwarzenberg in Ordnung. Und dann schrieb der eine Ober meinen Namen in die Reservierungen.

Als ich dann einige Stunden später zur reservierten Zeit mit meinem Sohn statt meiner Frau auftauchte (die war nämlich mit dem Rest der Familie noch anderswo in Wien unterwegs) und mich dem Schild »Bitte warten Sie, Sie werden platziert« vor der Eingangstür näherte, blickte mir der Ober von vorhin von drinnen entgegen, winkte mir zu und sagte: »Herr Pflüger, kommen’s glei’ durch!«

Bitte was? Der Ober hat mich identifiziert, obwohl ich jemand anders im Schlepptau hatte als zuvor? Und er erinnerte sich noch nach Stunden an meinen Namen, ohne nachschauen zu müssen?

Respekt. Wirklich Respekt.

Wir bekamen einen Tisch in der Nähe des Eingangs und wurden fortan von einem anderen Ober bedient – offenbar war just zu dieser Zeit Schichtwechsel.

Aber auch dieser junge Mann leistete tollen Service. Stets im Hintergrund verfügbar, stets aufmerksam, stets freundlich. Er brachte uns nicht nur die Getränke und Speisen, bat nicht nur um Entschuldigung, weil die warmen Apfelstrudel etwas länger bräuchten, räumte nicht nur stillschweigend alle leeren Teller, Gläser und Tassen weg. Nein, unser Ober erkannte unsere Bedürfnisse und hat seinen Service genau daran angepasst. Er beherrschte die Balance zwischen Aufmerksamkeit und Diskretion – er war immer dann präsent, wenn er von uns gebraucht wurde, hielt sich aber zurück, wenn wir ungestört bleiben wollten.

In einem Satz: Der Service, den wir im Café Schwarzenberg erleben konnten, war von vorn bis hinten sensationell gut.

Das Ambiente

Die Fassade des traditionsreichen Cafés Schwarzenberg direkt am Schwarzenbergplatz in Wien.
Die Fassade des traditionsreichen Cafés Schwarzenberg direkt am Schwarzenbergplatz in Wien.

Schon von außen ist das Café Schwarzenberg ein echter Hingucker. Es handelt sich um ein Eckhaus, direkt am Schwarzenbergplatz (wobei die Postadresse der Kärntner Ring ist, der auf den Platz stößt). Die großen, hohen Fenster enden oben in einem Halbrund, auf dem in goldenen Lettern der Name des Cafés angebracht ist.

Betritt man den Gastraum durch den Windfang, setzt sich der klassische Charme fort – Die Atmosphäre des Schwarzenbergs entspricht dermaßen klischeehaft dem Klischee eines Wiener Kaffeehauses, dass sich das »Klischee« wegkürzt und nur »Atmosphäre« übrig bleibt. Schaut euch das einmal an:

Der Gastraum des Café Schwarzenberg in Wien.
Der Gastraum des Café Schwarzenberg in Wien.

Ist das nicht einfach fantastisch? Was in diesem Foto gar nicht so richtig herauskommen will, ist die schiere Höhe der Decke, und das liegt an der Verzerrung des Weitwinkelobjektivs (die sieht man leider auch links an den Stühlen sehr gut). Meine grobe Schätzung ist, dass die Decke an der höchsten Stelle locker fünf bis sechs Meter misst.

Und wenn ihr euch fragt, was das da oben für ein lustiges Muster an der Decke ist, nun, es handelt sich um das hier:

Schuppenförmiges Kachelmosaik an der Decke des Café Schwarzenberg.
Schuppenförmiges Kachelmosaik an der Decke des Café Schwarzenberg.

Unsere Tische waren – ganz in der Tradition des Wiener Kaffeehauses – mit einer schönen Marmorplatte ausgestattet, die Sitzgelegenheiten mit Leder gepolstert. Die Stühle waren ziemlich bequem, was ich auf den ersten Blick überhaupt nicht erwartet hatte. Aber die halbrunde Rückenlehne des Stuhls war wirklich überraschend angenehm.

Von unserem Tisch selbst habe ich gar kein Bild gemacht, aber nebenan war noch eine reservierte Sitzgruppe frei. Auf Stühlen wie diesem hat unsere ganze Truppe gesessen.

Im Café Schwarzenberg gibt es lederne Sitzbänke und sehr bequeme Stühle mit Lederpolster und runder Rückenlehne.
Im Café Schwarzenberg gibt es lederne Sitzbänke und sehr bequeme Stühle mit Lederpolster und runder Rückenlehne.

Die Bestellung

Von unserem letzten Besuch vor zwei Jahren im Jahr 2023 wussten wir noch, dass das Schwarzenberg fantastische Wiener Schnitzel serviert (aktuell, am 7. Juli 2025, kostet es tatsächlich sagenhaft günstige 26,50 Euro). So sah das inklusive Vergleichsgröße einer Männerhand damals aus:

Café Schwarzenberg: Wiener Schnitzel, 2023
Café Schwarzenberg: Wiener Schnitzel, 2023

Heute aber war es ja erst Nachmittag, also Kaffeezeit. Also hieß es: eine Kaffeespezialität und dazu eine der berühmten österreichischen Backwaren oder Mehlspeisen genießen.

Und so bestellten wir allesamt Apfelstrudel. Vier Leute orderten die einfache Version für 7,90 Euro, mal ohne und mal mit Schlagobers (= Schlagsahne) zu 2,50 Euro. Und meine Schwägerin und ich konnten den Hals nicht voll genug bekommen und legten uns auf den warmen Apfelstrudel mit Vanillesoße und Preiselbeerschaum für 12,60 Euro fest.

Ich nahm dazu noch eine Wiener Melange für 6,70 Euro. Und damit beginne ich auch, weil sie zuerst am Tisch ankam.

Die Wiener Melange

Die Wiener Melange im Café Schwarzenberg.
Die Wiener Melange im Café Schwarzenberg.

Tauchen wir kurz ein in die Entwicklung der Wiener Melange. Grundlage ist ein Mokka und heiße Milch, aber diese Urform hat sich immer wieder verändert und weiterentwickelt. Und jetzt kommt mir doch endlich einmal zugute, dass ich zwei Jahre lang die Hannoversche Kaffeemanufaktur als Social-Media-Manager begleitet und in dieser Zeit mehr über Kaffee gelernt habe, als mir lieb ist.

Der ursprüngliche Mokka (bis 1800)
In der Frühzeit der Wiener Kaffeehauskultur wurde echter türkischer Mokka im Ibrīq zubereitet. Das staubfein gemahlene Kaffeepulver wurde mehrmals mit Wasser aufgekocht und mitsamt Kaffeesatz serviert. Diese ursprüngliche Form war stark, intensiv und oft mit Zucker und Gewürzen verfeinert. Aber in dieser Form gehörte der Mokka nie zur Wiener Melange.

Der Übergang zur Filtermethode (1800 bis 1850)
Mit der Entwicklung der Seihkanne und besonders ihrer Spezialform, der Karlsbader Kaffeemaschine, wandelte sich das Mokka-Verständnis in Wien grundlegend. Statt staubfeinen Pulvers verwendete man nun grobes Kaffeemehl, das durch Schwerkraft extrahiert wurde. Der Kaffee wurde milder und ohne Kaffeesatz serviert. Und das war ab 1830 der Startschuss für die Wiener Melange.

Die ursprüngliche Melange kombiniert mild gerösteten Mokka aus der Seihkanne bzw. Karlsbader Kaffeemaschine und die gleiche Menge heißer Milch – ganz ohne Milchschaum oder Dekor. Ziel war ein verträgliches Frühstücksgetränk für das großbürgerliche Publikum.

Die Karlsbader Ära (1850 bis 1945)
Die Karlsbader Kaffeemaschine aus Porzellan wurde zum Symbol der Wiener Kaffeehauskultur. Das charakteristische Porzellan-Doppelsieb ermöglichte einen besonders reinen, weichen Kaffee. In den Kaffeehäusern wurde der »Karlsbader« oft direkt am Gästetisch zubereitet. Manchmal experimentierten Kaffeehäuser mit geschlagener Milch oder Schlagobers für eine dünne Haube. Die Melange blieb jedoch grundsätzlich eine 1:1-Mischung mit nur gelegentlichem, dünnem Milchschaum als optionaler Zugabe. Ab 1900 kamen die ersten Dampfaufschäumer auf den Markt. Sie lieferten stabileren Schaum, was zu größerer Akzeptanz der Schaumhaube führte. In manchen Häusern ersetzte nun auch Schlagobers den Milchschaum auf der Melange – eine Spezialität, die heute als »Franziskaner« angeboten wird.

Espressomaschinen (ab 1945)
Ab Mitte des 20. Jahrhunderts hielten Siebträgermaschinen Einzug in die Wiener Kaffeehäuser. Doch Wien entwickelte eine eigene Interpretation: Anders als in Italien wird der Espresso deutlich länger und bei geringerem Druck extrahiert; der so entstehende Kaffee (»Mokka« oder »Kleiner Schwarzer«) bildet heute die Basis der Melange. Milchschaum etablierte sich ab Mitte der 1950er Jahre als fester Bestandteil der Melange, blieb aber bis in die 1980er Jahre hinein eher zurückhaltend. Erst zu dieser Zeit entstand das bis heute oft als gültig angenommene Mischungsverhältnis von einem Teil Mokka, einem Teil heißer Milch und einem Teil Milchschaum. Das scheint allerdings mittlerweile gar nicht mehr zu stimmen; verschiedene Quellen behaupten, dass oft mit einem normalen Espresso gearbeitet wird und die Milchschaumhaube nur noch 10 bis 15 Prozent des gesamten Getränks einnimmt.

Und die Wiener Melange im Café Schwarzenberg?

Ob da nun ein simpler Espresso oder ein leicht verlängerter Kleiner Schwarzer als Basis für die Melange genutzt wird, ob der Milchschaumanteil ein Drittel beträgt oder nur 10 Prozent – keine Ahnung. Das, was mir in der schönen Porzellantasse serviert wurde, war einfach großartig.

Bitte, bitte, liebes Café Schwarzenberg, verändert diese Rezeptur nicht.

Eure Melange ist wunderbar. Der Milchschaum ist exakt richtig – nicht zu fest, aber doch stabil genug, um die Schaumkrone lange zu halten. Der Kaffeegeschmack tritt trotz der vielen Milch deutlich hervor, bleibt dabei aber mild und aromatisch. (Zucker ist bei einer Wiener Melange aus meiner Sicht ohnehin des Teufels. Und ich glaube nicht mal an Teufel und Dämonen. Aber ich glaube an Kaffee ohne Zucker.)

Diese Wiener Melange ist eine ganz klare Schulnote 1.

Und jetzt zur Hauptattraktion des Nachmittags.

Warmer Apfelstrudel mit Vanillesoße und Preiselbeerschaum

»Wer einmal aus dem Blechnapf frisst«, so betitelte Hans Fallada seinen Roman aus dem Jahr 1934. Der Titel ist dabei eine zentrale Metapher für die dauerhafte Stigmatisierung aus dem Knast entlassener Strafgefangener. Der Blechnapf symbolisiert die Entbehrungen und Erniedrigungen des Häftlingsdaseins in den Gefängnissen jener Zeit – mit billigem, unzerbrechlichem Geschirr, das die Ärmlichkeit und Würdelosigkeit der Haftbedingungen verdeutlichte.

Und mir serviert man in diesem wundervollen Ambiente des Cafés meinen warmen Apfelstrudel – in einem Blechnapf:

Der warme Apfelstrudel mit Vanillesoße und Preiselbeerschaum im Café Schwarzenberg kommt in einer Metallschale.
Der warme Apfelstrudel mit Vanillesoße und Preiselbeerschaum im Café Schwarzenberg kommt in einer Metallschale.

Okay. Es ist jetzt nicht so richtig »Blech«. Kein bisschen billig. Kein bisschen ärmlich. Kein bisschen würdelos. Die Schale mit ihren zwei Henkeln fühlt sich schon ziemlich gut an. Schwerer Edelstahl, vielleicht 18/10? Egal. Ich wollte nur den peinlichen Gag mit dem Blechnapf machen.

Die Schale war recht tief; unten ein Spiegel aus warmer Vanillesoße und einem Klecks Preiselbeeren – »Preiselbeerschaum« war das eher nicht –, darin thronte majestätisch ein riesiges Stück Apfelstrudels mit feiner Staubzuckerauflage.

Meine Schwägerin und ich bekamen unsere warmen Apfelstrudel mit einer Entschuldigung des jungen Mannes vom Service deutlich nach den anderen, die ihre jeweiligen kalten Versionen mit und ohne Schlagobers schon halb verspeist hatten. Mein Sohn hatte mit dem Satz: »Das ist der beste Apfelstrudel bisher« die Latte hochgelegt, denn, ganz der Teenager in der Wachstumsphase, hatte er sich hier Tag für Tag wie ein Scheunendrescher durch die Spezialitäten der Stadt gefressen.

Meine Erwartung war also ziemlich weit nach oben geschraubt – ich hatte nämlich bisher noch überhaupt keine Süßspeise gekostet.

Die Vanillesoße

Der warme Apfelstrudel mit Vanillesoße und Preiselbeerschaum im Café Schwarzenberg kommt in einer Metallschale.
Der warme Apfelstrudel mit Vanillesoße und Preiselbeerschaum im Café Schwarzenberg kommt in einer Metallschale.

Als Erstes tauchte ich meinen Löffel in die warme – und glücklicherweise nicht heiße! – Vanillesoße. Was mir sofort auffiel, war ihre zarte Cremigkeit. Süß? Ja, aber nur ganz leicht und sehr angenehm im Hintergrund, so, als sei hier ganz dezent mit ein paar Prisen Puderzucker gearbeitet worden.

Stattdessen steht das Vanillige im Vordergrund.

Und zwar die Art Vanilliges, die ich aus meiner Kindheit in Erinnerung habe. Damals hat Mama immer ein Pülverchen aus einem Papiertütchen in warme Milch gekippt, ein wenig gerührt, und am Ende kam leckere, satt gelbe Vanillesoße heraus. Für mich war das damals die pure Magie.

Was ich sagen will: Hinweise auf echtes Vanillemark habe ich nicht entdecken können. In der Soße fand ich keine der charakteristischen kleinen, schwarzen Pünktchen. Darum gehe ich davon aus, dass in der Vanillesoße des Café Schwarzenberg lediglich einfache Vanillearomen am Start waren.

Stört mich das? Eigentlich nicht. Denn in einem Kaffeehaus erwarte ich – trotz des fantastischen Ambientes – keine Spitzengastronomie. Wie hieß es noch gleich in der Begründung dafür, die Wiener Kaffeehäuser zum immateriellen Kulturgut zu machen? Ach ja: »Die Kaffeehäuser sind ein Ort, in dem Zeit und Raum konsumiert werden, aber nur der Kaffee [hier: der Apfelstrudel] auf der Rechnung steht.« Die Verkaufspreise dürfen also nicht zu hoch sein. Und der warme Apfelstrudel mit Vanillesoße kostet gerade einmal 12,60 Euro. Und er ist massiv.

Aktuell, im Juli 2025, liegen die Median-Großhandelspreise (also die Einkaufspreise für die Gastronomie) für echte Bourbonvanille in Deutschland bei 1,69 EUR pro Schote. (Für Österreich konnte ich keine spezifischen Preise finden, gehe aber von ähnlichen Preisen aus.) Für die Menge in meiner Schale würde ich Pi mal Daumen eine Viertelschote für die Soße veranschlagen – das entspräche schon mal einem Einkaufspreis von 0,42 Euro für eine einzige Zutat.

Natürlich muss auch die Gastronomie betriebswirtschaftlich arbeiten. Als traditionelles Wiener Kaffeehaus würde das Café Schwarzenberg wahrscheinlich die Wareneinsatzquoten-Methode mit einem Wareneinsatz irgendwo zwischen 25 und 28 % anwenden, und das heißt, dass der Netto-Verkaufspreis der Echten Bourbonvanille in meinem Soßenspiegel irgendwo zwischen 1,50 und 1,68 Euro liegen müsste.

Geschmacklich gibt es natürlich einen Unterschied zwischen echter Bourbonvanille und synthetischem Vanillearoma. Echte Vanille wäre natürlich geiler, aber sie hätte mich bei diesem günstigen Preis wirklich überrascht. Ansonsten fand ich die Soße vor allem wegen ihrer zurückhaltenden Süße gut. Ich gebe ihr die Schulnote 2.

Der Preiselbeerschaum

In der Vanillesoße schwamm ein kleiner Klecks rotes Etwas. Das sollte wohl der Preiselbeerschaum sein. Falls diese Preiselbeeren tatsächlich je geschäumt waren, waren sie – wohl aufgrund der Wärme von Soße und Strudel – längst in sich zusammengefallen, als der Strudel am Tisch ankam.

Geschmacklich ging die Preiselbeere in der Vanille vollkommen unter – ich konnte sie einfach nicht separat auf den Löffel bekommen. Farblich und von dem aus betrachtet, was ich als Konsistenz wahrnehmen konnte, hätte es genauso gut ein Johannisbeergelee sein können. Alles, was der Klecks in der Soße tat, war punktuell die Süße zu heben. Vermutlich wäre es klug, den Schaum künftig in einem separaten kleinen Schälchen statt in der Soße zu servieren.

Wie soll ich hier eine Bewertung abgeben? Ich füge den Klecks einfach dem Gesamterlebnis der Vanillesoße hinzu. Dafür war er weder gut genug noch schlecht genug, um irgendwas an deren Ergebnis zu ändern. Es bleibt also für die gesamte Vanillesoße inklusive des süßen Prieselbeerklecks bei der Schulnote 2.

Der Apfelstrudel

Mit Puderzucker bestäubter warmer Apfelstrudel mit Vanillesoße und Preiselbeerschaum im Café Schwarzenberg.
Kunstvolle Füllung beim warmen Apfelstrudel mit Vanillesoße und Preiselbeerschaum im Café Schwarzenberg.

Was für ein Kunstwerk. Dicht gepackt drängen sich die unterschiedlich groß und unterschiedlich dick geschnittenen, goldgelben Apfelstückchen im hauchzarten, gezogenen Strudelteig. Das dicke Stück Apfelstrudel, das da auf dem Soßenspiegel sitzt, ist mit einer feinen Staubzuckerauflage versehen.

Ich mochte gar nicht anfangen, ihn zu essen, so schön war er. Wer schon einmal Apfelstrudel mit Vanillesoße gegessen hat (traditionell nur mit Kuchengabel und Löffel), der weiß, dass das kein schöner Anblick bleibt.

Aber es half ja nichts – sollte ich etwa einfach da sitzen und doof auf meine Schüssel blicken, während mir der verlockende Duft des Strudels gleichzeitig den Verstand vernebelte? Also habe ich erst einmal ein paar Apfelstückchen aus dem Backwerk gezogen, um sie alleine für sich zu probieren.

Für Apfelstrudel kann nicht jeder beliebige Apfel benutzt werden. Die Äpfel, die ich persönlich als Obst essen mag, gehören jedenfalls nicht in einen Strudel. Ich bevorzuge nämlich süße, mehlige Äpfel wie Golden und Red Delicious – und die würden bei der Zubereitung des Strudels schlicht zu einer breiigen Masse zerfallen. Außerdem würde das alles irgendwie viel zu süß werden und wegen der hohen Feuchtigkeit der Äpfel den Teig durchweichen – ganz egal, mit wie viel Semmelbrösel ich dagegen zu arbeiten versuchte.

Für einen Wiener Apfelstrudel benötigen wir also andere Apfelsorten. Typische Äpfel, die dafür verwendet werden, sind Boskoop, Elstar, Jonagold, Cox Orange, Idared oder Braeburn. In Österreich werden sie sogar oft als »Strudler« verkauft.

Welche Sorte beim Café Schwarzenberg im Strudel landet – keine Ahnung. Aber nach der Vereinigung der sauren Apfelstückchen mit dem Strudelteig, geschmolzener Butter, gerösteten Semmelbröseln, Zimt, Zucker, Zitrone, ein paar Rosinen und vielleicht einem Schuss Rum im Backofen ist mir meine Präferenz bei rohen Äpfeln ohnehin vollkommen egal.

Und so war es auch hier im Café Schwarzenberg: Der ganze Strudel hat mich ziemlich weggeblasen.

Zimtig, buttrig, süß-säuerlich, saftig und mit einem komplexen, mehrschichtigen, samtigen, ordentlichen Mundgefühl. Für dieses Gefühl sorgt die Verarbeitung der Äpfel, die – auf dem Foto oben deutlich sichtbar – in unterschiedlich große Stücke geschnitten sind, von sehr feinen, fast blättrig geschnittenen Scheibchen bis zu gröberen Apfelspalten.

All das habe ich jetzt nur geschrieben, um euch zu sagen, dass mein Sohn recht hatte, als er sagte: »Das ist der beste Apfelstrudel bisher.« Er meinte damit allerdings nur die kurze Zeitspanne unserer Wien-Reise.

Ich hingegen sage: Das war der verdammt noch mal beste Apfelstrudel meines Lebens.

Dafür gibt es die beste Schulnote überhaupt: eine glatte 1.

Aber dann war da ja noch die etwas synthetisch schmeckende Vanillesoße mit dem armseligen Preiselbeerschaum. Zu dem hatte ich weiter oben geschrieben, dass er nicht gut genug und gleichzeitig nicht schlecht genug war, um irgendwas an der Note für die Vanillesoße zu ändern.

Genauso ist es jetzt auch bei der Note für den Apfelstrudel – die mit 2 bewertete Vanillesoße (mitsamt Preiselbeerschaum) hat einfach nicht genügend Relevanz für dieses fantastische Gericht, um etwas an der Schulnote 1 ändern zu können.

Diese 1 steht so fest, da bewegt sich gar nix.

Wiener Schnitzel im Salm Bräu Wien

Mein vierter Abend in Wien, mein drittes Gericht in einem Wiener Lokal. Das erste Lokal war beinahe gut, das zweite Lokal ein totaler Reinfall. Gestern habe ich im Biergarten des Praters ein erstaunlich okayes Schnitzel (ein Schweineschnitzel mit Pommes – gilt das in Wien nicht eigentlich als blasphemisch?) gegessen, das mir aber einfach zu langweilig für eine ausführliche Bewertung war. Und heute Abend besuchte ich mit meiner Familie das Salm Bräu im Rennweg. Damit ich in Wien dann auch mal ein Wiener Schnitzel esse, habe ich das heute geordert. So wie meine ganze restliche Familie auch (bis auf meine Frau, die eine Frittatensuppe nahm, um anschließend die Schnitzelreste ihrer Mutter aufzuessen).

Das Ambiente

Man kommt durch das Eingangstor in einen mit Tischen und Bänken zugestellten Innenhof, der mit großen Sonnenschirmen (oder Pavillon-Zelten?) vor den Unbilden des Wetters geschützt ist. Gegen die große Hitze – auch heute waren es in Wien wieder 34 °C – stehen dort mehrere Ventilatoren mit ordentlichen Durchmessern und noch ordentlicherer Leistung auf massiven Gestellen und blasen kontinuierlich einen Strom vernebelten Wassers unter das Zeltdach. Die Verdunstung des Nebels kühlt die Temperatur im Innenhof um bestimmt 10 Grad auf eine sehr angenehme Temperatur herunter.

Maischbottich und Läuterbottich im Salm Bräu Wien
Maischbottich und Läuterbottich im Salm Bräu Wien

Das Salm Bräu ist – der Name lässt’s schon vermuten – eine Brauereigaststätte. Und das sieht man, sobald man in den Gastraum eintreten will. Hier kommt man nämlich unübersehbar an Bierbrauequipment vorbei: große Bottiche aus Kupfer, in denen gemaischt und geläutert wird. (Was immer das auch ist. Ich habe von Bierbrauen keine Ahnung.)

An diesen zwei Bottichen kamen wir vorbei, denn wir saßen drinnen im rustikalen Gastraum, wo es keine Vernebelungsanlage gab. Es war hier zwar wärmer als im Innenhof, aber dennoch problemlos erträglich, wohl weil die kühle Luft des Innenhofs durch den Gastraum zirkulierte. Für das Umwälzen der Luft waren viele kleine Deckenventilatoren verantwortlich, die ihre Arbeit recht ordentlich erledigten.

In den Wiener Restaurants der ersten beiden Tage hatte ich immer das Gefühl, dass die Einrichtungen mit viel Mühe aus verschiedenen Epochen und / oder Stilrichtungen zusammengestellt worden waren, sodass die Elemente am Ende seltsamerweise harmonierten. Im Salm Bräu war das anders.

Denn hier passte einfach alles gleich auf Anhieb zusammen: dunkle Holzvertäfelung, cremefarbener Putz, kupferne Lampenschirme, rustikales Mauerwerk, tonnenförmiges Gewölbe … Ach, seht doch einfach selbst:

Gastraum im Salm Bräu Wien
Gastraum im Salm Bräu Wien

Auch hier gab es wieder Holzbänke, zudem auch einfache Holzstühle als Sitzgelegenheiten. Ich saß mal wieder auf der Bank, und die war zum Sitzen aus meiner Sicht völlig okay – es gab genug Platz, sich nach hinten zu schieben und anzulehnen. Dieses Mal hatten wir an unserem Tisch außerdem ausreichend Fläche für sechs Personen, die ganzen Teller und Getränke.

Der Service

Der Service im Salm Bräu ist geradezu irrwitzig. Wir hatten es mit insgesamt fünf MItarbeiter:innen zu tun.

Vorn am Eingang wurden wir von einer jungen Mitarbeiterin empfangen, die unsere Reservierung digital mit den reservierten Tischen abglich, uns zu unserem Platz führte und mit geradezu grotesk überdimensionierten Speisekarten versorgte. In dem Moment, als alle Menüs zugeklappt waren, stand der Ober an unserem Tisch und nahm unsere Bestellung mit einem Stift (!) und einem Zettel (!!) aus Papier (!!!) auf. Eine Mitarbeiterin brachte uns kurz darauf die Getränke. Ein weiterer Ober trug wenige Minuten danach die Frittatensuppe meiner Frau heran, ein weiterer Ober bald darauf die fünf Wiener Schnitzel. Abgeräumt wurde von der Person, die die Frittatensuppe gebracht, kassiert vom Ober, der unsere Bestellung aufgenommen hatte.

Entweder ist das ein unglaublich ausgeklügeltes, brillantes System oder das totale Chaos.

Da aber alles reibungslos und schnell geklappt hat (bis auf, dass mein Schwiegervater ein Helles statt eines Pils bekommen hat) gehe ich hier vom brillanten System aus. Allerdings scheint dieses brillante System auch eine negative Seite zu haben. Denn was toll für die Gäste ist, ist Stress pur für den Service.

Der Job als Servicekraft im Salm Bräu scheint mir ziemlich heftig zu sein – niemand aus der Crew wirkte jemals gelassen, alle standen dauernd unter Strom, und gelächelt wurde eigentlich nur, wenn die Mitarbeiter:innen mal für eine Minute unter sich an der Theke alleine waren, weil sie entweder Bestellungen für frisch gezapftes Bier abgaben, das Bier frisch zapften oder auf frisch gezapftes Bier warteten. Die Jungs hingegen, die die Speisen aus der Küche heranschleppen und die leer gegessenen Teller abräumen mussten, hatten irgendwie nichts zu lachen. Und das tut mir wirklich leid für sie.

Die Bestellung

Dieses Mal war das wirklich einfach. Wenn ich schon einmal in Wien bin, dann will ich wenigstens einmal ein Wiener Schnitzel – natürlich vom Kalb – gegessen haben. Da wir morgen Abend in ein Irish Pub gehen wollen und übermorgen wieder fahren, war dies die letzte Chance für mich.

Das Salm Bräu kommt in den Rezensionen auf den üblichen Plattformen recht gut weg, und so sind wir hier gelandet. Allerdings, und das fand ich sehr schade, wird das Wiener Schnitzel im Salm Bräu nicht mit dem berühmten Wiener Kartoffelsalat gereicht, sondern mit Petersilkartoffeln als Beilage.

Dennoch: Nicht nur ich wollte ein Schnitzel. Mein Sohn natürlich auch. Aber ebenso wollten alle anderen aus meiner Familie das Kalbsschnitzel haben. Bis auf meine Frau, die sich mit ihrer Mutter das Schnitzel teilen wollte und ergänzend eine Frittatensuppe bestellte. (Für die Badener:innen und Schwäb:innen unter euch: das ist ’ne Flädlesupp.)

Lange warten mussten wir nicht – die Frittatensuppe war schon nach wenigen Minuten da, die Schnitzel kurz darauf. Die Wiener Schnitzel kamen zusammen mit einer Zitronenspalte und einem kleinen Töpfchen Preiselbeeren auf einem Teller, die Petersilkartoffeln in einer individuellen kleinen Schale.

Die Petersilkartoffeln

Petersilkartoffeln zum Wiener Schnitzel im Salm Bräu Wien
Petersilkartoffeln zum Wiener Schnitzel im Salm Bräu Wien

Ich habe ja mittlerweile gelernt, dass die Petersilie in Österreich »der Petersil« heißt. Gewöhnt habe ich mich an den Klang allerdings nicht, und ich bin froh, wenn ich übermorgen die Grenze nach Norden überschritten habe, um dem Kraut ungestraft wieder ein weibliches Pronomen verpassen zu dürfen.

Woran ich mich auch nicht gewöhnen kann: an den lappigen Geschmack der Petersilkartoffeln. In meinem Teil Deutschlands ist die normale Kartoffelbeilage die sogenannte Salzkartoffel (die natürlich in Restaurants ebenfalls mit Petersilie bestreut wird). Wie der Name schon sagt, werden die mit ordentlich Salz gekocht. Deutsche Kochrezepte betonen eigentlich immer, dass Kartoffeln viel Salz schlucken. Beispielhaft zitiere ich mal das Kochwiki:

Kartoffeln vertragen sehr viel Salz, d.h. mutig sein bei der Salzzugabe (Erfahrungssache). Als Faustregel gilt: 2 EL (30 g) Salz auf 1 Liter Wasser oder 1 Kaffeelot (20 g bzw. 20 ml) Salz auf 1 Liter Wasser oder 1 TL Salz auf 1 kg Kartoffeln. Es gibt Rezepte, nach denen man Kartoffeln in Meerwasser kocht, der durchschnittliche Salzgehalt der Ozeane beträgt 35 g Salz pro Liter Meerwasser.

In Wien hingegen wird bei Petersilkartoffeln sehr viel sparsamer mit Salz gearbeitet. Also wirklich: sehr viel sparsamer.

Das Kochwiki sagt zum Thema Petersilienkartoffeln (ja, dort nennt man sie in der deutschen Schreibweise, aber nennt das österreichische Rezept), dass ungesalzenes (!) Wasser zum Kochen genutzt wird. Gesalzen wird erst ganz am Schluss, wenn nämlich die gekochten (und gepellten Pell-) Kartoffeln durch geschmolzene Butter geschwenkt und mit Petersil(ie) bestreut werden.

Die Wiener Küche will also nicht Salz als Geschmacksträger einsetzen, sondern den Eigengeschmack der Kartoffel mit dem gehackten Küchenkraut betonen. Statt Salz dient ein Klecks Butter zur Hebung des Geschmackserlebnisses – und das dürfte vermutlich auch die gesündere Herangehensweise sein.

Das flache Geschmacksprofil der Petersilkartoffel ist also exakt so gewollt. Dass das auf meinen salzfokussierten norddeutschen Gaumen traurig und trostlos wirkt, ist nicht die Schuld des Salm Bräu (oder eines anderen Wiener Restaurants). Sie sind richtig zubereitet. Und darum ist es, glaube ich, fair, wenn ich die Petersilkartoffeln einfach gar nicht bewerte.

Das Wiener Schnitzel

Wiener Schnitzel und Preiselbeeren im Salm Bräu Wien
Wiener Schnitzel und Preiselbeeren im Salm Bräu Wien

Natürlich ist das Wiener Schnitzel im Salm Bräu vom Kalb. Es kostet 28,90 Euro und kommt mit einem ordentlichen Zitronenschnitz und einem kleinen Pöttchen Preiselbeeren.

Was dem:der geübten Schnitzelesser:in jedoch sofort ins Auge fällt, ist die verhältnismäßig kleine Größe.

Ein traditionelles Wiener Schnitzel ist großzügig bemessen – es ist oft größer als der Teller. Pro Person rechnet man dabei mit 150 bis 200 Gramm Kalbfleisch. Beim edlen Kalbsrücken werden aufgrund der kleineren Stücke oft zwei Schnitzel pro Person serviert.

Zum Vergleich zeige ich hier das Schnitzel im Salm Bräu am 6. Juli 2025 und einige andere Wiener Schnitzel, die ich in Wien im April 2023 auf dem Teller hatte.

  • Salm Bräu: Wiener Schnitzel mit Petersilkartoffeln und Preiselbeeren, 2025
  • Restaurant »Beim Hofmeister«: Wiener Schnitzel, 2023
  • Café Schwarzenberg: Wiener Schnitzel, 2023
  • Müllerbeisl: Wiener Schnitzel, 2023

Das Schnitzel im Salm Bräu ist mindestens ein Drittel kleiner als die Schnitzel der anderen Restaurants. Nur das Müllerbeisl liefert ebenso kleine Schnitzel – dort allerdings gibt es dann auch gleich zwei Schnitzel der Salm-Bräu-Größenordnung, was darauf hindeutet, dass dort möglicherweise der edle Kalbsrücken Verwendung findet (und trotzdem kostet das Wiener Schnitzel beim Müllerbeisl am heutigen Tag – gerade nachgeschaut – nur 23,90 Euro, also satte 5 Euro weniger als im Salm Bräu).

Jedenfalls war das Schnitzel heute so klein, dass ich die langweiligen Petersilkartoffeln fast alle aufgegessen habe, bloß um satt zu werden.

Okay, es ist klein. Aber taugt das Salm-Schnitzel denn was?

Farbe: Ein perfektes Wiener Schnitzel zeigt eine gleichmäßig goldbraune Farbe ohne dunkle Stellen. Gleichmäßig und goldbraun war es – es sah hervorragend aus. Die Farbe auf meinen Fotos ist leider nicht sonderlich überzeugend, weil das Umgebungslicht natürlich eine Rolle spielt. Aber in Wahrheit hatte es die absolut richtige Farbe.

Panade: Die Panade soll knusprig sein und beim Darüberstreichen mit der Gabel ein charakteristisches Knistern erzeugen. Geknistert hat es beim Streichen, beim Einstechen, beim Schneiden (bzw. Säbeln, weil die Messer da echt alle stumpf waren) und beim Hineinbeißen. Perfekt!

Aber das Markenzeichen eines perfekten Wiener Schnitzels ist natürlich die soufflierte Panade – sie muss sich wellenartig vom Fleisch abheben und aufgebläht sein, sich sogar leicht vom Fleisch lösen. Die charakteristische Wellenform entsteht durch das Schwimmen im heißen Fett und das kontinuierliche Schwenken der Pfanne. Eine flache, fest anliegende Panade würde hingegen auf eine fehlerhafte Zubereitung hindeuten.

Im Salm Bräu bekamen wir alle perfekt soufflierte Wiener Schnitzel. Dass die Panade beim folgenden Bild oben eng auf dem Fleisch aufzuliegen scheint, ist nur dem wirklich stumpfen Messer geschuldet, mit dem ich am Schnitzel herumsäbeln musste.

Wiener Schnitzel im Salm Bräu Wien
Wiener Schnitzel im Salm Bräu Wien

Geschmack: Ein perfektes Wiener Schnitzel überzeugt durch die Kombination aus knuspriger Panade und zartem, auf höchstens 4 mm Stärke geklopftes Kalbfleisch. Das Fleisch selbst hat einen milden und delikaten Geschmack, der durch die butterige Note des Butterschmalzes ergänzt wird, in dem das Schnitzel souffliert wird. Die Panade sollte trotz des Tauchbads in heißem Butterschmalz nicht fettig sein, sondern leicht und fluffig. Und all das traf auf mein Schnitzel zu.

Garnitur: Zum Wiener Schnitzel wird in Wien traditionell nur eine Zitronenspalte geliefert. Ich quetsche den Schnitz gern über dem Schnitzel aus (haha, Schnitz – Schnitzel, habt ihr gemerkt?), denn ich finde, dass der säuerliche Geschmack ganz wunderbar dazu passt. Mein Sohn hingegen findet das bescheuert und lutscht die Zitrone lieber gleich direkt aus. Dabei laufen mir immer kalte Schauer den Rücken runter, aber jedem Tierchen sein Pläsierchen.

Das Salm Bräu hat auch noch ein Pöttchen mit sehr leckeren, nicht zu süßen Preiselbeeren dazugestellt – in Wien eigentlich unüblich, wie ich eben noch recherchiert habe. Preiselbeeren werden eher auf dem Land, besonders in der Steiermark, zum Schnitzel serviert.

Das Wiener Schnitzel im Salm Bräu fand ich handwerklich wirklich gelungen und geschmacklich überzeugend. Die Preiselbeeren hatte ich nicht erwartet, sie passten aber ausgezeichnet dazu. Mein Sohn, der bisher jeden Tag ein Wiener Schnitzel gegessen hat, fand es im »Stöckl im Park« (da habe ich – leider – einen Schweinsbraten gegessen) besser als im Salm Bräu, und er hat da sicherlich den besseren Vergleich. Aber was mich angeht, der keinen Vergleich hat, gebe ich dem Gericht für Verarbeitung, Geschmack und Garnitur eine glatte Schulnote 1.

Abzüge gibt es allerdings dafür, dass die Schnitzel, die wir im Salm Bräu bekommen haben, für Wiener Verhältnisse wirklich erschreckend klein waren. Und das wirkt sich negativ auf das Preisleistungsverhältnis aus.

Darum gebe ich als Gesamtnote eine 2-.

Garnitur-Exzesse

Apropos Garnitur. Da gab es historisch am k.u.k.-Hof neben dem Zitronenschnitz auch noch andere Bestandteile zum Wiener Schnitzel: So gab es nicht nur die Zitrone für die Frische, sondern auch Sardellen für eine intensive, umami-reiche Salzigkeit und Kapern für eine pikante, leicht säuerliche Note. Diese Kombination wirkte als Aromageber, der dem milden Kalbfleisch zusätzliche Geschmackstiefe verliehen haben soll. (Würde ich tatsächlich gern mal probieren.)

Außerhalb des Habsburgerreiches wurde das als »Wiener Garnitur« bekannt, sich sofort kulturell angeeignet und mit immer wilderen Dingen kombiniert. Plötzlich gab es neben Zitrone, Sardellen und Kapern zusätzlich Petersilie und Spiegelei (das mit dem Spiegelei kennen wir im Norden als »Schnitzel Holsteiner Art«, allerdings ist das ein Schweineschnitzel). Oder es gesellten sich kleine Pfeffergurken und geschnittene Salzgurken hinzu.

Aber den Vogel schoss wohl der Begründer der Haute Cuisine ab, nämlich Georges Auguste Escoffier. Der machte aus der »Wiener Garnitur« eine Wissenschaft und belegte das Wiener Schnitzel mit einer entkernten Zitronenscheibe, einem Sardellenfilet und einer darauf platzierten Olive und drapierte um das Schnitzel ein Häufchen Kapern, ein Häufchen Eigelb und ein Häufchen Eiweiß.

In Wien selbst findet man das wohl alles ziemlich albern. Hier gibt es die Zitronenspalte und gelegentlich Preiselbeeren zum originalen Wiener Schnitzel. Und das ist auch okay so.

Mein Fazit zum Wiener Schnitzel im Salm Bräu

Es kann sein, dass wir heute einfach Pech mit der Größe unserer Schnitzel gehabt haben, deshalb möchte ich euch nicht davon abhalten, dem Salm Bräu in Wien einen Besuch abzustatten. Es ist gemütlich, das hausgebraute Bier ist lecker (ich hatte ein überraschend fruchtiges Pils und ein Helles), und auch die anderen Gerichte, die auf und ab getragen wurden, sahen fantastisch aus. Eine Reservierung scheint mir aber auf jeden Fall sinnvoll zu sein, denn der Laden ist immerzu gerammelt voll, wenn wir dran vorbeigehen. Und wir gehen dauernd dran vorbei, weil unser Hotel quasi nebenan ist.

Leerer Schnitzelteller im Salm Bräu Wien
Leerer Schnitzelteller im Salm Bräu Wien

SANDWICH Huber’s im Huber’s Wien

Noch immer bin ich in Wien. Gestern war ich im »Stöckl im Park«, heute auf der anderen Seite des Belvedere, nämlich im »Huber’s« im Rennweg. Und weil es heute Abend für mich gern etwas leichter sein durfte als gestern, orderte ich mir das nach dem Haus benannte Sandwich. Doch der Reihe nach.

Das Ambiente

Wenn du ins »Huber’s« eintrittst, findest du dich in einer ziemlich modernen und glatten Welt wieder. Der Boden ist hell gefliest, eine riesige Theke dominiert den Raum. Große Glasscheiben lassen viel Licht in den recht kleinen Gastraum. (Im ersten Stock gibt es noch einmal Platz für 40 weitere Personen). Das Flair des Ladens ist auf ganz andere Weise ähnlich wie im »Stöckl« gestern – formal dürften die Einrichtungselemente überhaupt nicht zusammenpassen, und trotzdem kam ich nicht umhin, mich sofort wohlzufühlen.

Wir wurden an zwei zusammengerückte, recht kleine quadratische Tische gewiesen, die in der Ecke platziert waren. Die Tische hatten ein zentrales Tischbein mit einem schweren Fuß, was uns dabei half, unsere Beine gut sortieren zu können. Denn an jeder der geschätzt unter einem Quadratmeter kleinen Tischplatten mussten drei Personen mit insgesamt sechs unteren Extremitäten sitzen.

Wir saßen in der dunklen Ecke ohne Fenster. (Keine Sorge – es war hell genug.) An den beiden Wänden im Eck waren Holzbänke installiert. Ich trollte mich ans Tischende und quetschte mich auf diese Bank. Mit mir mussten auch noch meine Schwiegereltern leiden, wie sich im Laufe des Abends noch herausstellen sollte. Denn die Bänke waren alles andere als gemütlich. Darüber konnten auch die vielen riesigen Deko-Kissen nicht hinwegtäuschen, die, wo immer möglich, verteilt lagen und keinerlei praktischen Nutzwert hatten. Sie waren einfach viel zu riesig, um sie sich in den Rücken stopfen zu können.

Immerhin: Mein Sohn, meine Schwägerin und meine Frau hatten sehr bequeme Sessel mit wunderbar anzufassenden Stoffbezügen erwischt, in denen sie entspannt sitzen konnten.

Im Hintergrund plätscherte die ganze Zeit ruhige, chillige Bar-Musik – nichts Aufdringliches, nichts, was einem auf den Zwirn gehen könnte. Und damit das genaue Gegenteil dessen, was hier gerade an der Hotelbar läuft, wo ich sitze, um diese Zeilen zu schreiben. (Das ist nämlich der einzige Ort im Hotel, an dem das Wi-Fi stabil und schnell ist.) Aus den Lautsprechern dröhnt hier unangenehm und laut primitiv zusammengekloppte Stampfmusik, die nicht so recht zu wissen scheint, ob sie Schlager oder doch Techno sein will. Ich danke jedenfalls an dieser Stelle allen 3.000 Gottheiten der Menschheitsgeschichte für die Erfindung der AirPods Pro mit ihrer recht ordentlichen Lärmunterdrückung. (Allerdings könnte sich mal eine dieser Gottheiten darum kümmern, dass wirklich gar nichts mehr durchdringt.)

Aber ich schweife ab – zurück zum »Huber’s«.

Auch heute war es wieder sehr warm in Wien. Mit nur 25 °C zwar immerhin etwa zehn Grad kühler als gestern, dafür aber erheblich drückender. Das »Huber’s« hatte den Kampf dagegen erstaunlich erfolgreich mit nur zwei Dyson-Turmventilatoren aufgenommen. Denn der Gastraum war überraschenderweise angenehm kühl. Mehrfach habe ich mich umgeschaut, ob nicht doch irgendwo eine Klimaanlage versteckt war, aber konnte keine entdecken. Allerdings hatte meine Schwägerin den Luftstrom genau in ihrem Rücken – und das fand sie gar nicht so toll. »Hat irre gezogen«, sagte sie mir.

Mein besonderes Interesse weckte eine Vitrine, in der gut und gern drei Dutzend Flaschen mit honiggoldener Flüssigkeit verweilten. »Whisky!« dachte ich erfreut und stromerte zur Vitrine hinüber, um die Flaschen näher in Augenschein zu nehmen. Aber nein, kein Whisky. Bloß Bourbon, also amerikanischer Whiskey (mit »e«). Mit dem kann ich persönlich einfach nichts anfangen. Klar, es mag viele Bourbons geben, die objektiv betrachtet hervorragend sind.

Ich habe mal bei der vermutlich besten Whiskybar in Hannover, dem Oscar’s, an einem Bourbon-Tasting teilgenommen. Da waren schon wirklich exklusive Flaschen dabei. Ich erinnere mich an einen »Blanton’s Straight from the Barrel«, von dem die Flasche in Europa nur sehr selten unter 300 Euro zu haben ist, und auch der Rest der sechs Pours war hochwertig und -preisig. Und dennoch: Meinen Geschmack treffen Bourbons allesamt nicht. Sie sind mir im Wesentlichen zu süß, zu flach und zu langweilig. Selbst die, die von Kritikern hochgelobt werden. Ich bleibe darum bei den Iren (die haben übrigens auch ein »e« im Whiskey und zudem die ganze Sache auch erfunden), vor allem aber bei den Schotten. Meine bevorzugten Whiskys stammen allesamt von der Isle of Islay und knüppeln dir ein Stück rauchenden Torf in den Schlund, sobald du einen Schluck davon nimmst.

Aber ich schweife schon wieder ab. Darum geht’s hier gar nicht! Ich will doch das »SANDWICH Huber’s« besprechen!

Der Service

Erinnert ihr euch noch an die frühen 2000er, als plötzlich die Hipster-Bewegung ausbrach? Als sich wie aus dem Nichts normale Leute tätowieren ließen, was zuvor ausschließlich Seeleuten, Knastbrüdern, Rockergang-Mitgliedern und Punks vorbehalten zu sein schien? Als Männer sich wieder trauten, Vollbärte zu tragen? Lange, prachtvolle Vollbärte, die sie unfassbar gut pflegten? Und die im Kontrast zum sonstigen (scheinbaren!) Mir-doch-egal-wie-ich-rumlaufe-Outfit standen? Diese Typen mit den Hornbrillen, Second-Hand-Flanellhemden, Röhrenjeans und Hosenträgern? Die plötzlich wieder die Schiebermützen aus den 1930ern trugen?

Die erste Generation dieser Hipster ist jetzt zwischen 40 und 50, und einem davon gehört dieser Laden. Sein gepflegter Bart ist mittlerweile schlohweiß, die Tattoos am Arm hat er nicht weglasern lassen, und die Schiebermütze sitzt noch immer.

Zusammen mit einer Dame bediente er uns. Beide waren freundlich, professionell, aufmerksam, zurückhaltend. Allerdings blieben die schon gedeckten, aber bis zum Ende ungenutzten Wassergläser auf den relativ kleinen Tischen stehen und wurden nicht abgeräumt. Das hat den Platz dann doch ganz schön eingeschränkt.

Die Bestellung

Ich erwähnte es schon: Ich bestellte das »SANDWICH Huber’s«, weil ich gern etwas Leichteres als tags zuvor haben wollte. In der Karte war das so beschrieben: »Toastbrot mit Hühnerbrust, Tomate und Spiegelei an Blattsalat«, das Ganze für 16,20 Euro. Auch meine Schwägerin und meine Schwiegermutter wählten dieses Gericht, während mein Sohn und mein Schwiegervater das Wiener Schnitzel (mit Petersilkartoffeln statt mit Kartoffelsalat) orderten und meine Frau sich für einen Blattsalat mit Prosciutto und Melonen entschied.

Gruß aus der Küche

Plötzlich stand da diese Espressotasse vor uns. Darin eine grüne, schaumige Flüssigkeit: der Gruß aus der Küche (Grüße gehen zurück!).

Es handelte sich dabei um eine cremig pürierte Erbsensuppe mit Minze. Mein Sohn löffelte die Tasse in Nullkommanix leer, was ich mit einiger Verwunderung zur Kenntnis nahm, denn er hasst Erbsen. Überhaupt hasst er alles, was irgendwie gesund sein könnte. Teenager-Allüren halt. Was ich sagen will: Dieses Süppchen war richtig, richtig lecker.

So lecker, dass ich viel zu spät begriffen habe, dass ich vielleicht mal ein Foto davon machen sollte. Darum hier nur eines mit einer halb leeren Tasse. Sorry.

Hier gibt es zum Einstieg in den Abend gleich mal die Schulnote 1 von mir!

Erbsen-Minz-Suppe in einer Espressotasse
Erbsen-Minz-Suppe in einer Espressotasse

Überraschung! Noch eine Vorspeise!

Kurz darauf stand ein Korb mit ein paar Scheiben Weiß- und Graubrot auf dem Tisch, dazu eine längliche Porzellanschale mit kleinen Butterkügelchen und eine weitere Schale mit vielleicht 20 Oliven und einem knappen Dutzend Kapernäpfeln.

Kapernäpfel und Oliven in einer Porzellanschüssel
Kapernäpfel und Oliven in einer Porzellanschüssel

Überraschung! Noch ein Gruß aus der Küche! Dachten wir zumindest erst. Stimmte aber nicht. Aber darauf komme ich nachher noch. Was hatte nun diese kleine Überraschung kulinarisch auf dem Kasten?

Das Graubrot war ganz okay, für meine zugegebenermaßen verwöhnten norddeutschen Standards aber war es nichts Außergewöhnliches. Denn in der Region Hannover, wo ich herkomme, gibt es schließlich das Gersterbrot. Für mich ist das die Königin aller Graubrote, an dem sich der Rest zu messen hat. Dieses hier war auf einer Skala von 1 (frisches Gerster vom Handwerksbäcker) bis 6 (geschnittenes Industriegraubrot aus dem Discounter) eine solide 3+. Das Weißbrot kann ich nicht beurteilen – ich habe es nicht probiert.

Die Butter wurde uns in Kügelchen präsentiert und erwies sich als in einer perfekt streichfähigen Temperatur. Ich hatte das Gefühl, dass sie ganz leicht gesalzen war, aber das kann täuschen, weil ich direkt zuvor in einen Kapernapfel gebissen hatte. Ich liebe Kapernäpfel (und Kapern!), bekomme aber leider viel zu selten die Gelegenheit zu diesem Genuss, weil weder meine Frau noch mein Sohn Kapernäpfel oder Kapern mögen und sich beides daher nicht in unserer Küche findet.

Kapernäpfel sind die Früchte des Echten Kapernstrauchs, während Kapern dessen noch geschlossenen Blütenknospen sind. Der Hauptunterschied zwischen beiden liegt also im Entwicklungsstadium und Erntezeitpunkt.

Lässt man die Blütenknospen der Kaper am Strauch, entwickeln sich daraus nach der Blüte die Kapernäpfel (regional auch Kapernbeeren genannt). Sie sind deutlich größer und fester als Kapern, enthalten viele kleine Samen und werden ebenfalls eingelegt angeboten – wenn ihr sie denn finden könnt. In normalen Supermärkten gibt es sie eigentlich nur, wenn ein mediterranes Spezialitätenregal vorhanden ist.

Nach der Ernte werden sie einer Salzreifung unterzogen, dann gründlich gewaschen und anschließend in mildem Essig oder Olivenöl eingelegt. Danach sind sie außen knackig, innen buttrig und schmecken ausgewogen herb-säuerlich.

Ich mag Kapernäpfel normalerweise gern, die hier fand ich allerdings jetzt nicht so geil. Ihr Aroma war eben nicht ausgewogen, sondern ziemlich überwältigend und seltsam. Sie waren viel zu salzig, gleichzeitig aber auch unangenehm sauer. Mein Schwiegervater, der das erste Mal einen Kapernapfel aß, fand: »Schmeckt wie eine eingelegte Salzgurke.« Und damit kam er ziemlich nahe dran, finde ich. Er mag eingelegte Salzgurken, und so wanderten die Kapernäpfel einer nach dem anderen in seinen Bauch. Ich hatte nach dem Zweiten schon genug, weil der genauso schlecht war wie der Erste.

Kapernäpfel sind eigentlich eine Delikatesse. Diese hier waren es nicht, sondern mit Abstand die schlechtesten Kapernäpfel, die ich je gegessen habe.

Aber die Oliven, die waren richtig toll. Zart, fleischig, intensives und doch zurückhaltendes Oliven-Aroma, das mich an die Sorte Kalamon erinnerte, die aus der griechischen Region Messenien stammt (und oft unter dem Namen der darin liegenden Stadt Kalamata vermarktet wird). Das hier waren aber keine Kalama-Oliven – dafür waren sie zu klein, zu rund, zu hell. Egal: Sie waren wirklich lecker. Ich bekam kaum welche ab, weil mein Schwiegervater sich fast alle unter den Nagel gerissen hatte. Nachdem mein Schwiegervater von »Gurke« sprach, hat meine Frau mal ausnahmsweise einen Kapernapfel probiert. Dass sie die nicht gut fand, hat mich jetzt nicht so überrascht. Aber die Oliven fand sie auch sehr gut.

Nichts von beidem – weder Kapernäpfel noch Oliven – haben meine Schwägerin, meine Schwiegermutter und mein Sohn angerührt. Die mögen das nämlich alle nicht. und das Weißbrot lag am Ende auch noch unangetastet im Korb.

Was gebe ich da an Schulnoten? Die Butter nehme ich mal aus der Wertung raus – war halt streichfähige Butter.

  • Graubrot: 3+ (wenn ihr mir gut zuredet, mache ich eine 2- draus)
  • Kapernäpfel: 5
  • Oliven: 1

Das SANDWICH Huber’s

Dann kam mein »SANDWICH Huber’s«. Wir erinnern uns, was im Menü stand: »Toastbrot mit Hühnerbrust, Tomate und Spiegelei an Blattsalat«. Ich möchte das SANDWICH jetzt zunächst völlig wertfrei und möglichst objektiv beschreiben:

  • unten: eine trockene Scheibe ungetoastetes Toastbrot.
  • darauf: drei Scheiben Tomaten.
  • darauf: ein Hühnerbrustfilet im Butterfly-Schnitt, hell gebraten.
  • darauf: eine trockene Scheibe ungetoastetes Toastbrot.
  • darauf: ein Spiegelei.
  • darüber gesprenkelt: geschnittener Schnittlauch.
  • daneben: geschnittener grüner Blattsalat.

Damit endet die wertfreie, objektive Beschreibung. Jetzt kommt die Bewertung. Beginnen wir beim Salat.

Der begleitende Salat

Es handelte sich um einen stinknormalen grünen Salat. Der war in ungleichmäßig große und kleine Stückchen geschnitten und mit einem Essig-Öl-Dressing angemacht, das so unsäglich langweilig war, dass es mir schier die Sprache verschlagen hat. Der ganze Salat war labberig und schmeckte nach nichts, außer ein bisschen nach dem Essig im Dressing. Und dann raunte mir meine Schwägerin auch noch zu: »Ist der von gestern? Der ist so braun.«

Dieser Salat hatte das Niveau jener uninspirierten Beilage, die als Entschuldigung für verspätete Lieferung in durchsichtigen Plastikschälchen verpackt in derselben Warmhaltebox zusammen mit der heißen Pizza vom Lieferservice kommt. Allerdings hatte »Huber’s« ein schlechteres Dressing. Kurz: Der Salat vom »Huber’s« war nichts anderes als wirklich, wirklich mies.

Das Sandwich selbst

Es ist kaum zu glauben, aber das nach dem Haus selbst benannte »SANDWICH Huber’s« griff tatsächlich schlicht und ergreifend auf simpelstes, ungeröstetes Toastbrot direkt aus der Tüte zurück. Die Tomaten hatten die unterste Scheibe schon vollständig durchgesuppt, als das Gericht vor mir stand, weil wirklich nichts anderes als die im Menü aufgezählten Bestandteile im Sandwich enthalten war – kein Salatblatt, keine Soße, nichts.

Das machte das Huhn zur Hauptattraktion. Und das muss dann auch liefern.

Hühnerbrust ist immer eine Gefahr. Wir wissen ja alle, dass Hühnerbrust kulinarisch betrachtet nicht gerade das beste Stück vom Huhn ist – es hat keinen besonderen Eigengeschmack (wie etwa die dunklen Teile des Huhns) und es tendiert wegen des geringen Fettgehalts dazu, beim Braten sehr schnell trocken zu werden – besonders dann, wenn es im Butterfly-Schnitt halbiert wurde.

Und das erwies sich hier leider als zutreffend. Das Huhn war trocken und dröge. Und weil die Küche anscheinend vollständig auf Gewürze verzichtet, war es zudem auch noch richtig fade. Ja, das ließe sich natürlich mit den Salz- und Pfeffermühlen auf dem Tisch nachsteuern – aber eine Grundwürze sollte doch schon zu erahnen sein.

Kein bisschen Raffinesse war an diesem lieblosen Stapel von Allerweltslebensmitteln zu erkennen. Es fehlten die Röstaromen, der Crunch, der Pepp von ein paar Umdrehungen der Pfeffermühle, ein paar Salzkristalle. Es war tatsächlich ausschließlich das im Gericht, was auf der Karte stand: Toastbrot, Tomate, Hühnerbrust.

Bis hierher war das »SANDWICH Huber’s« eine reine Enttäuschung.

Aber das Spiegelei war perfekt. Unten war es schön kross gebraten, und die Konsistenz des Eigelbs war sowohl für jene geeignet, die es lieber flüssig mögen, als auch für jene, die es durchgegart bevorzugen, denn der Dotter war nicht mehr richtig flüssig, aber auch noch nicht ganz fest. Und der Schnittlauch harmonierte ausgezeichnet – wie immer mit Eiern. Überraschenderweise stand der gar nicht in der Beschreibung des Sandwiches.

Aber rekapitulieren wir mal: Auf dem ganzen Teller war lediglich das Spiegelei gut. Alles andere nicht. Für 8 Euro hätte ich gesagt: Okay, macht immerhin satt. Aber dieser Teller kostete eben 16,20 Euro, nicht 8 Euro. Das Preis-Leistungs-Verhältnis dieses Sandwichs ist absolut daneben.

Dieses »SANDWICH Huber’s« ist eine reine Enttäuschung. Wäre das Spiegelei nicht gewesen, hätte der ganze Teller von mir eine glatte Schulnote 6 bekommen. So rettet es sich mit Ach und Krach gerade noch so auf eine 5.

Aber doof wie man ist, ist man ja höflich. Man sagt nichts. Man lässt das bestellte Gericht nicht zurückgehen. Man isst brav auf. Man nickt freundlich, wenn man gefragt wird, ob alles recht sei.

Dann bin ich halt auch selbst schuld.


Wem von euch es nur darum geht, wie mir das Essen gefallen hat, kann an dieser Stelle aufhören zu lesen. Aber dann kam die Rechnung. Und mit der habe ich eine Rechnung offen.

Die überraschende Rechnung

Auf der Rechnung tauchte ein Posten auf, der mich leicht irritierte: ein Abendgedeck. Sechsmal. Zu je vier Euro. Was sollte das denn sein? Ich schaute schnell online in die Speisekarte des »Huber’s«. Und fand bei sehr genauem Hinsehen mit viel Gepinche und Hineingezoome:

Screenshot des Abendgedecks, der überraschenden Vorspeise
Screenshot des Abendgedecks, der überraschenden Vorspeise

Was soll das heißen, ihr könnt das nicht lesen? Ist euch das etwa zu klein? Zu unleserlich? Genau! Uns auch. Bezahlen mussten wir es aber trotzdem.

Damit ihr nicht an eurer Sehkraft zweifelt, übertrage ich das mal in eine lesbare Schriftart und -größe:

Abendgedeck
Wir verrechnen fürs Gedeck (Stoffserviette*Felzl-Brot*Butter*Antipasti) € 4,00

Was bitte?

Wir sollen VIER EURO für eine Stoffserviette auf einem blanken Holztisch bezahlen? PRO PERSON?

VIER EURO PRO PERSON für ein paar Scheiben Brot und Butter?

VIER EURO PRO PERSON für ein paar Oliven und Kapernäpfel, die drei von uns niemals bestellt hätten?

VIER EURO – PRO PERSON???

VIER EURO für geradezu profane Snacks, die wir nicht bestellt hätten? Und für eine dämliche Stoffserviette auf einem blanken Holztisch?

VIER EURO für eine Wahl, die den Gästen des »Huber’s« gar nicht zugestanden wird, weil das Abendgedeck zwangsweise zum Teil der Bestellung wird?

Und ja – das galt wirklich pro Person, nicht für den ganzen Tisch.

Mich hat das richtig geärgert.

Wieso haben sechs Leute den auf beinahe jeder Seite der Speisekarte zu findenden Hinweis auf das zwangsweise Abendgedeck nicht bewusst wahrgenommen?

Ja, der Hinweis steht wirklich auf fast jeder Seite. Ich habe nachgeguckt. Trotzdem ist er außerhalb der Wahrnehmung. Im Englischen gibt es dafür den Begriff »hiding in plain sight«, dessen Bedeutung sich nicht gut ins Deutsche übertragen lässt (»sich deutlich sichtbar verstecken«). Jedenfalls riecht das stark nach Dark Pattern (auch »Deceptive Design« oder »Deceptive Patterns« genannt), also bewusst manipulativer Gestaltung, die Leute dazu bringt, Entscheidungen zu treffen, die nicht in ihrem Interesse liegen – etwa das Akzeptieren nachteiliger Bedingungen. Besonders häufig ist dieses Getrickse mittlerweile in Softwares und Apps anzutreffen, aber ist bei unseriösen Marketing-Menschen seit Jahrzehnten gängige Praxis.

Ich war 20 Jahre lang Grafikdesigner. Und darum habe ich mir das Design der ganzen Karte noch einmal ganz genau angeschaut. Hier die Salate-Karte, die beispielhaft für alle anderen Seiten mit dem Hinweis auf das Abendgedeck steht (abgerufen am 4. Juli 2025):

Die Salate-Seite aus der Huber’s-Speisekarte, Stand: 4. Juli 2025
Die Salate-Seite aus der Huber’s-Speisekarte, Stand: 4. Juli 2025

Exkurs in die Typografie – weil es sein muss

Die Schriftart, die das »Huber’s« für seine Speisekarte nutzt, ist die »Papyrus«. Sie ist insgesamt typografisch eine ganz, ganz schlimme Wahl – nicht nur auf Speisekarten, sondern für alle Situationen des Lebens. Es ist eine Schrift, die niemand einsetzen und die am besten gar nicht existieren sollte. Sie ist nämlich in jeder Hinsicht furchtbar.

Problem Mikrotypografie

Das gravierendste Problem der Papyrus liegt in den katastrophalen Kerning-Tabellen. Kerning meint die Feinabstimmung der Buchstabenabstände zwischen spezifischen Zeichenpaaren. Der Font enthält praktisch keine funktionierenden Kerning-Paare, was bedeutet, dass alle 2.704 möglichen Kombinationen zwischen Groß- und Kleinbuchstaben manuell von dem:der Grafikdesigner:in korrigiert werden müssten. Was natürlich niemand tut. Was die Lesbarkeit beeinträchtigt.

Die ungleichmäßigen Strichstärken und irregulären Rundungen der Buchstaben in der Schrift führen zudem zu einem unruhigen Leseerlebnis. Diese Eigenschaften, die eine handgeschriebene Ästhetik simulieren sollen, zerstören die typografische Konsistenz, die aber für die Lesbarkeit erforderlich ist. Die ausgefransten Kanten und unregelmäßigen Konturen verstärken diese Problematik zusätzlich.

Ein weiteres fundamentales Defizit der Schrift liegt im Fehlen einer vollständigen Schriftfamilie. Die Papyrus bietet keine echten Fett- oder Kursiv-Varianten, was die Gestaltung von typografischen Hierarchien unmöglich macht. Manche Programme, vor allem Office-Anwendungen, die nicht als Design-Produkt gedacht sind, erlauben digitale Schrägstellungen und digitale Fettungen, die die Lesbarkeit weiter einschränken. Hier werden genau diese digitalen Verzerrungen genutzt.

In kleinen Schriftgrößen wird die Papyrus zum typografischen Albtraum. Während die Schrift bei großen Größen noch halbwegs funktioniert, verliert sie bei Schriftgrößen unter 12 Punkt jegliche Lesbarkeit. Denn die Binnenräume der Buchstaben (Fachvokabel: Punzen) sind bei der Papyrus zu eng gestaltet. Das führt dann dazu, dass Buchstaben wie a, c, e und s bei kleineren Schriftgrößen absaufen und unlesbar werden. Außerdem verschmelzen die unregelmäßigen Konturen bei kleinen Schriftgraden zu einem unleserlichen Chaos, das besonders bei schlechten Lichtverhältnissen problematisch wird.

Die mangelnde Unterscheidbarkeit ähnlicher Zeichen verschärft die Lesbarkeitsprobleme. Während professionelle Schriftarten klare Unterschiede zwischen 0 und O, I und l sowie rn und m aufweisen, verschwimmen diese Unterschiede bei der Papyrus durch die »künstlerische« Gestaltung.

Problem Makrotypografie

Die inkonsistenten Ober- und Unterlängen der Papyrus führen zu einem gestörten Zeilenrhythmus. Der Grauwert des Schriftbildes wird durch die seltsamen Strichstärken ungleichmäßig, was zu optischen Störungen im Textfluss führt. Professionelle Typografie erfordert einen gleichmäßigen Grauwert für ermüdungsfreies Lesen.

Die digitale Umsetzung der 1982 von Chris Costello ursprünglich mal handgezeichneten Schrift führt außerdem zu Skalierungsproblemen. Die Proportionen der Buchstaben funktionieren nur in einem sehr begrenzten Größenbereich. Bei größeren Schriftgrößen wirken die Unregelmäßigkeiten übertrieben, bei kleineren verschwinden wichtige Details.

Papyrus ist ein Totalschaden

Die Schrift »Papyrus« in der Schriftsammlung von Adobe.
Die Schrift »Papyrus« in der Schriftsammlung von Adobe.

Die Papyrus ist ein mikro- und makrotypografischer Totalschaden. Die fundamentalen Kerning-Probleme, die mangelnde Skalierbarkeit und die fehlende Schriftfamilie machen sie für jede professionelle Anwendung völlig unbrauchbar.

Insbesondere trifft das dort zu, wo Menschen unterschiedlichen Alters mit unterschiedlichen Sehstärken bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen einem in der Papyrus gesetzten Text wichtige Informationen entnehmen sollen, die ihre Finanzen betreffen.

Bei Speisekarten zum Beispiel.

In meiner Zeit als selbstständiger Grafikdesigner zwischen 2007 und 2015 habe ich insgesamt vier Kunden aus der Gastronomie jahrelang betreut. Darum weiß ich, dass der wichtigste Aspekt der Speisekarten-Typografie die bestmögliche Lesbarkeit bei allen Lichtverhältnissen ist. Die Faustregel lautet: »Je schummriger das Licht, desto leichter muss die Speisekarte zu lesen sein«. Die unregelmäßigen Konturen und die ausgefransten Kanten der Papyrus erschweren das Lesen erheblich und sind in keinem Fall geeignet.

Nun nutzt das »Huber’s« ja bei allen Gerichten zwar die Papyrus, aber immerhin in recht große Schriftgröße. Sprich: Die Gerichte sind noch einigermaßen lesbar. Die Preise hingegen sind schon arg klein gehalten, ebenso die Hinweise auf die Allergene.

Und auch diese beiden Zeilen zum Abendgedeck sind verdächtig klein.

Dazu kommt die satztechnische Katastrophe in der Klammer – »Stoffserviette*Felzl-Brot*Butter*Antipasti«. Ohne Leerzeichen verschmilzt all das zu einem völlig unlesbaren Brei.

Die ganze typografische Gestaltung des Abendgedeck-Hinweises ist ein ziemlich deutlicher Hinweis auf ein Dark Pattern. In diesem Fall nutzt die visuelle Verschleierung der Zusatzkosten die typografischen Schwächen der gewählten Schriftart als Werkzeug der Kundenmanipulation.

Im Kern werden hier gezielt menschliche Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster ausgenutzt, um eine Entscheidung herbeizuführen, die der Gast bei vollständiger Information vermutlich nicht getroffen hätte.

So funktioniert der Trick:

  1. Versteckte Information: Die Gebühr wird auf der Speisekarte so unauffällig, klein oder schlecht lesbar platziert, dass sie von den meisten Gästen beim Lesen übersehen, als normaler Teil des Angebots oder als ergänzende Informationen zum Menü (wie etwa der Allergen-Liste) wahrgenommen wird.
  2. Fehlende Wahlmöglichkeit: Der Gast wird nicht aktiv gefragt, ob er das Abendgedeck überhaupt möchte, sondern es wird automatisch geliefert und berechnet – ohne explizite Zustimmung.
  3. Fait-accompli-Prinzip: Mit der Rechnung werden die Gäste mit der Gebühr konfrontiert. Zu diesem Zeitpunkt ist die Leistung (hier das Gedeck) bereits erbracht und konsumiert, und ein Widerspruch erscheint den Gästen sozial unangenehm oder »zu spät«.
  4. Widerstandsminimierung: Viele Menschen vermeiden Konflikte oder Diskussionen über kleine Beträge, insbesondere in sozialen Situationen wie einem Restaurantbesuch. Die Hürde, nachträglich zu reklamieren, ist hoch.

Warum ist das manipulativ?

  • Es wird gezielt darauf gesetzt, dass die Gäste die Zusatzkosten nicht bemerken und sich später nicht mehr dagegen wehren.
  • Die Information ist zwar formal vorhanden, aber so gestaltet, dass sie in der Praxis wirkungslos bleibt.
  • Die Gäste werden in eine Situation gebracht, in der sie sich ohne echte Zustimmung mit einer zusätzlichen Zahlung abfinden müssen.

Diese kalkulierte Akzeptanz ist deshalb manipulativ, weil sie auf Intransparenz und sozialem Druck basiert. Sie nimmt den Gästen die Möglichkeit einer informierten Entscheidung und nutzt typische menschliche Verhaltensweisen gezielt zum Vorteil des Restaurants aus.

Ich musste nur ganz kurz recherchieren, um auf die Schnelle etliche Hinweise zu finden, dass das alles vollkommen illegal ist. In der Preisangabenverordnung (PAngV), im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und sogar dem Strafgesetzbuch (StGB) gibt es einschlägige Abschnitte.

Aber eben nur, wenn »Huber’s« in Deutschland säße.

Tut »Huber’s« aber nicht.

»Huber’s« sitzt in Österreich. Da der Abendgedeck-Hinweis formal auf der Speisekarte steht, erfüllt das Restaurant die Anforderungen des österreichishen Rechts, konkret § 6 Abs. 1 PrAG. Die unlesbare Schrift und manipulative Darstellung verstoßen hier ganz offenbar nicht gegen die für normale Gastgewerbebetriebe geltenden österreichischen Bestimmungen.

Meine Learnings aus diesem Desaster

Ich habe im Rahmen dieses Artikels gelernt, dass es in gehobenen Restaurants in Österreich eine versteckte Zwangsleistung geben kann (übrigens ist das »Huber’s« kein gehobenes Restaurant. Das wäre es aber wohl gern). Zwar wird die Zwangsleistung formal korrekt in den Speisekarte ausgezeichnet, aber oftmals exakt so, dass der Zwang von uninformierten Auswärtigen gar nicht erkannt werden kann. Ja, genau: Dass das »Huber’s« auf Dark Pattern setzt, ist kein Einzelfall in der Alpenrepublik.

Wenn ihr nach ähnlichen Erlebnissen googelt, stoßt ihr sehr schnell auf den Fall einer Frau, die im Lokal »Bierführer« in Goldegg im Salzburger Land zu Gast war. Beim »Bierführer« war das Gedeck ebenfalls in aller Öffentlichkeit versteckt, nämlich so, dass es einem normalen Gericht auf der Speisekarte aussieht (damals noch unter allen anderen Speisen, heute oben drüber). Aber nirgendwo steht, dass das Gedeck eine Kaufverpflichtung darstellt:

Der obere Teil der Speisekarte vom »Bierführer«, abgerufen am 5. Juli 2025
Der obere Teil der Speisekarte vom »Bierführer«, abgerufen am 5. Juli 2025

Die Begründung, mit der österreichische Gastronom:innen die Existenz eines derartigen Zwangspostens rechtfertigen, ist geradezu haarsträubend. Konfrontiert mit der Kritik der Gästin am versteckten Posten des Gedecks im »Bierführer« zitiert der Münchener Merkur den Sprecher der Restaurant-Gruppe, zu der auch der »Bierführer« gehört:

»Dieser Posten kommt durch die Kosten für die Tischdecken, die Stoff- Mundservietten, das ofenfrische Brot, die zwei verschiedenen Aufstriche und den lokalen Karreespeck zustande. Und natürlich die Kosten für die Mitarbeiter, die waschen, bügeln, das Brot backen, die Aufstriche zubereiten und dergleichen.« – Andreas Pointner

Ähm – hat da jemand womöglich die Basics der Produktpreisgestaltung nicht verstanden? Oder können wir vielleicht demnächst dann noch damit rechnen, dass wir in österreichischen Restaurants unter dem Begriff »Raumkultur« für die Reinigung von Tischplatte, Fußboden und der Toiletten zu 2 Euro pro Nase zur Kasse gebeten werden?

Ja, es mag in Österreich gang und gäbe sein, dass Gastwirt:innen ihre Gäste über den Tisch ziehen und die sich das auch noch gefallen lassen. Andere Länder, andere Sitten halt. Das hindert mich persönlich, der mit dem jahrhundertealten hanseatischen Prinzip des ehrlichen Kaufmanns aufgewachsen ist, jedoch nicht daran, Restaurants mit in die Karte hineingeschweinigelten verdeckten Zwangsgebühren als kackdreist, unlauter, ehrlos und absolut unseriös zu empfinden.

Oder um es mal in Landessprache loszuwerden: »I hätt ned glaubt, dass de österreichischen Wirt’ mi so hintergeh’n.«

In diesem Fall, dem »Huber’s«, passte die Schweinigelei sehr gut ins Bild.

Keine Empfehlung von mir.

Schweinsbraten im Stöckl im Park Wien

»Wien, nur Wien, du kennst mich up, kennst mich down«, so sang Falco in »Vienna Calling«. Genau so geht es mir jedes Mal, wenn ich in der Stadt an der Donau bin. Denn jedes Mal, wenn ich in der Stadt an der Donau bin, fühle ich mich nicht nur kulturell, sondern auch kulinarisch rundherum verstanden.

Heute war ich mit meiner Familie bei 36 °C Außentemperatur im »Stöckl im Park«. Der Besuch war nur eine Notlösung, denn der Laden, bei dem wir eigentlich reserviert hatten, war überraschenderweise geschlossen. Ein handgeschriebener Zettel an der Tür ließ uns etwas ratlos zurück. Denn wir hatten Hunger, und es war gerade 18:45 Uhr, also überall Hochbetrieb in den Restaurants. Und wir waren mit sechs Personen unterwegs – die kriegt nicht jeder Laden mal eben unangekündigt unter.

Das »Stöckl« lag nur ein paar Hundert Meter von unserem eigentlichen Restaurant entfernt. Normalerweise hätte ich das gar nicht angesteuert, denn die Bewertungen zum Essen und zum Service sind ziemlich durchwachsen, besonders, wenn man nicht nur auf einer Bewertungsplattform schaut. Viele Gäste loben das freundliche Personal, das schöne Ambiente und die Qualität mancher Gerichte. Andererseits gibt es aber auch die exakt gegenteiligen Rezensionen: harsche Kritik an einzelnen Speisen, die teilweise als lieblos zubereitet oder nur aufgewärmt empfunden werden, an der Lautstärke und am Preis-Leistungs-Verhältnis. Und der Service wird für meinen Geschmack viel zu häufig als viel zu lausig beschrieben.

Aber es war einfach nichts anderes in der Nähe, das mal eben spontan Platz für sechs Personen bot. Es half also nichts – notgedrungen mussten wir hinein.

Das Ambiente

Das »Stöckl im Park« ist eine Brauerei und Gaststätte im 3. Wiener Bezirk, gelegen im Schwarzenberggarten an der Prinz-Eugen-Straße. Es verfügt nicht nur über einen Gastraum (vielleicht sind es sogar mehrere, das habe ich in der Eile nicht richtig sehen können), sondern vor allem auch über einen weitläufigen, sehr schönen Biergarten mit laut Website 4.000 Quadratmetern Fläche und schattigen Bäumen. Den haben wir aber wegen der drückenden Hitze gar nicht in Betracht gezogen – wir haben stattdessen im kühlen Souterrain Platz genommen.

Die Einrichtung dieses Souterrains war modern und zweckmäßig, aber doch mehr oder weniger rustikal-gemütlich – eine seltsame Mischung, die ich auch jetzt in der Nachbetrachtung nicht richtig greifen kann, die aber irgendwie doch stimmig zusammenpasst. Wir saßen auf erstaunlich bequemen Sitzbänken an zwei aneinander geschobenen quadratischen Holztischen ohne Tischdecken oder anderen Schnickschnack. Bonus bei dieser Platzierung: Die Getränketheke war in unmittelbarer Nähe, das gezapfte Kaltgetränk kam perlend frisch an den Tisch.

Der Service

Wir wurden von Christian bedient, einem dauerlächelnder Mann irgendwo in seinen 20ern, 30ern oder 40ern (absolut unmöglich zu sagen), der uns sofort gutherzig duzte, obwohl viel, viel, VIEL ältere Personen am Tisch waren. Seine Augen blitzten, seine Stimme war warm, und seinen Wiener Dialekt hatte er klar unter Kontrolle. Für mich als Norddeutscher war nicht einmal auszumachen, ob er überhaupt wirklich herumwienern könnte – er sprach nämlich so bemüht Deutsch mit uns doofen Piefkes, dass er am Ende, als es um den Nachtisch ging, grundsätzlich nur von »Sahne« sprach, obwohl doch jede:r weiß, dass das hierzulande »Obers« heißt.

Aber ich ahne, warum der Service in den Bewertungen so widersprüchlich bewertet wird. Denn für viele meiner ach-so-zartbesaiteten Landsleute kommt alles Österreichische irgendwie »grantelnd« daher. Insbesondere der Wiener Dialekt wird pauschal als »arrogant«, »überheblich« und »pikiert« empfunden, so als blicke das ganze hochkulturelle Wien naserümpfend auf die primitiven Piefkes aus dem Flachland herab. Wenn man aber so empfindet und dann auch noch mir-nichts-dir-nichts einfach so von einer in der sozialen Hackordnung weeeeeeeeit unter einem stehenden Servicekraft ungefragt geduzt wird, dann wird der Service halt als schlecht wahrgenommen. Weil man ihn als schlecht wahrnehmen will, nicht weil er schlecht ist.

Zurück zu unserem Service: Wir fanden ihn nicht schlecht. Nein, ganz und gar nicht. Der Laden brummte, Christian und seine Kolleg:innen hatten alle Hände voll zu tun, und trotzdem war das ganze Personal immer mit einem Lächeln da, standen unsere Getränke schnell auf dem Tisch, und auch das Essen ließ nicht lange auf sich warten.

Die Bestellung

Apropos Essen.

Mein Sohn, meine Frau und meine Schwägerin bestellten sich das Wiener Schnitzel, meine Schwiegermutter das Biergulasch vom Weiderind und mein Schwiegervater den Zwiebelrostbraten, auch vom Weiderind. Dazu werde ich hier aber nichts sagen, obwohl ich überall mal genascht habe. (Nur eins: Der Kartoffelsalat, der zum Wiener Schnitzel kommt, war phänomenal.)

Ich orderte den Schweinsbraten mit Bierkraut, Grammeln und Serviettenknödel für einen Preis von 19,90 Euro. Dazu nahm ich einen halben Liter Wiener Helles 1924 mit einer Stammwürze von 12,2° und 4,90 % Umdrehungen zu 5,40 Euro.

Was diese Grammeln sind, wusste ich nicht. Aber ich bin ja schließlich in Österreich, um meinen Horizont zu erweitern, statt aus lauter Angst vor Neuem schon wieder zu Kentucky Mc King zu rennen.

Als die Gerichte dann nach einiger, aber nicht zu langer Zeit kamen, sind mir fast die Augen aus dem Kopf gefallen.

Vor mir stand eine Pfanne mit 24 cm Durchmesser, randvoll mit Fleisch, Kraut, Knödeln und Soße. Für die Gesundheit gab’s auch noch ein wenig gehackte Petersilie obendrauf. Ach ja, und irgendwo waren auch noch diese Grammeln. Oder war »Grammeln« womöglich österreichisch für gehackte Petersilie? Ich konnte nicht nachschauen, denn im Souterrain hatte ich keinen Empfang.

Der Duft, der der Pfanne entströmte, war ziemlich verführerisch. Das musste ich sofort probieren!

Die Soße

Der erste Bissen, und sofort war die Soße da.

Viel zu oft wird in der Gastronomie eine hauptsächlich salzige Bratensoße aus der Tüte serviert. Bäh.

Aber diese hier?

Klar, das Salz war auch hier mit dabei, ja, aber sie war eben auch irgendwie anders. Ein Hauch von Bitternoten wie aus Schwarzen Johannisbeeren, eine zarte, leichte fruchtige Süße, gleichzeitig noch umami – diese Bratensoße war eine wahre Geschmacksexplosion. Sie war wunderbar. Sie war komplex, und das ist ein Attribut, das ich in meinem ganzen Leben wohl noch nicht im Zusammenhang mit einer Bratensoße benutzt habe.

Heute muss ich es benutzen. Diese Bratensoße war komplex, sie knallte, sie schmeckte fantastisch. Ich liebe diese Soße!

Wenn nun aber schon die Bratensoße so gut ist, wie wird das wohl bei den anderen Komponenten sein? Beim Bierkraut? Beim Schweinsbraten? Bei den Serviettenknödeln? Und bei diesen mysteriösen Grammeln?

Das Bierkraut

Anders als Sauerkraut wird Bierkraut nicht fermentiert, sondern der geschnittene Kohl wird mit (meist hellem) Bier, angeschwitzten Zwiebeln und Gewürzen geschmort, je länger, desto besser. Manchmal ist noch Speck dabei oder anderes Fleisch, das dann für eine besondere Note sorgt. Bierkraut ist eine tolle Beilage für alle möglichen Gerichte. Außerdem ist es super für gewisse rumpubertierende Familienmitglieder, denen die Säure von Sauerkraut aufstößt. Denn Bierkraut ist viel milder.

Ich kenne Bierkraut so, dass es als eigenständige Komponente auf dem Teller angerichtet liegt. Daneben finden sich dann Knödel (Fleisch ist optional), und dazu gibt es dann einen Klecks Soße – in der Regel viel zu wenig für die häufig recht trockenen Knödel.

Über zu wenig Soße konnte ich mich beim Schweinsbraten im »Stöckl im Park« auf jeden Fall nicht beschweren – denn hier war das Gericht nicht auf einem Teller angerichtet.

Sondern in einer Pfanne.

Eine Pfanne, die randvoll mit Soße war. So randvoll, dass das Bierkraut sich damit vollgesogen hatte. Es war mir vollkommen unmöglich, das Kraut als solches zu schmecken.

Wäre das ein Sauerkraut gewesen, hätte es sich wenigstens durch seine säuerliche Note von der Soße abgehoben. Aber mildes Bierkraut? Das ordnete sich der Dominanz der Soße leider gänzlich unter und fügte für mich lediglich eine sensorische Wahrnehmung hinzu, nämlich in Form von weicher Masse.

Und das ist schade, denn wenn ich ausschließlich nach der Sensorik gehe, scheint mir das ein hervorragendes Bierkraut gewesen zu sein. »Weiche Masse« klingt eklig, aber hier ist das eigentlich ein Qualitätsmerkmal. Superweiches Kraut ist ein Zeichen dafür, dass es sehr lange geschmort wurde – das ist ein Aufwand, der im eiligen Hopplahopp von Gastronomieküchen nur selten durchgeführt wird, weil Aufwand nämlich teuer ist.

Ich würde das Kraut echt mal gerne direkt aus dem Topf probieren. Denn ich vermute, dass es für sich genommen dieselbe hohe Güte wie die Soße hat. Jammerschade, dass diese Qualität im wahrsten Sinne des Wortes in einer Pfanne untergehen muss.

Der Schweinsbraten

Insgesamt wurden mir drei großzügige Scheiben Schweinsbraten serviert. Das Fleisch war wunderbar zart – ich hätte es mit einem Löffel zerteilen können. Nirgends, wo ich einen Schweinebraten gegessen habe, habe ich bisher eine derartige Zartheit erlebt. Häufig ist das Fleisch dröge und trocken – hier nicht. Es schmolz mir förmlich im Mund. Ganz offenbar kauft das »Stöckl im Park« für seinen Schweinsbraten ein richtig hochwertiges Stück Fleisch ein, das dann mit viel Können schonend über einen längeren Zeitraum zubereitet wird. Wie schon beim Bierkraut: Je länger es geschmort wird, desto zarter wird es. Hier denkt also jemand mit. Hier möchte jemand hervorragend gegarte Produkte servieren.

Aber dann kommt die Pfanne.

Und in dieser Pfanne wird der Braten in einer Soße ersäuft. Eine fantastische Soße. Aber ersäuft ist ersäuft.

Es war ein Elend. Wie schon zuvor beim Bierkraut – ich hatte keinerlei Chance, den Braten an sich zu genießen. Alles schmeckte bloß schon wieder nach dieser fulminanten Soße. Das Fleisch fügte dem Ganzen lediglich ein weiteres Mundgefühl hinzu.

Der Serviettenknödel

Ich kann es nicht oft genug wiederholen, wie toll die Soße war. Ich meine das wirklich. Natürlich waren auch die Serviettenknödel tief in diese Soße getaucht. Entsprechend schmeckten sie auch ausschließlich danach. Aber das hat mich hier mal ausnahmsweise nicht gestört.

Jetzt brauchen wir einen kleinen Exkurs.

Kennt ihr Stangenei? Nein? Dann schaut mal kurz hier vorbei, bevor ihr weiterlest.

Habt ihr gelesen? Habt ihr gesehen?

Okay, jetzt, wo ihr Stangenei kennt, kommen wir zum Serviettenknödel zurück. Denn als ich von diesen Scheiben aß, sprang mir alles Negative in den Kopf, was ich mit Stangenei assoziiere. Irgendwie wabbelig, industriell, unschön, auch ein bisschen unappetitlich.

Ausgerechnet.

Denn ich hatte mich wegen des Knödels für dieses Gericht entschieden.

Normalerweise ist Schweinebraten ja nicht so toll zart wie dieser, sondern dröge und trocken. Normalerweise hätte ich mich darum für den Zwiebelrostbraten entschieden, den mein Schwiegervater nun mit großem Appetit verschmauste und der fantastisch aussah. Aber ich liebe nun mal Semmelknödel, Serviettenknödel, Speckknödel und all diese süddeutschen und österreichischen Herrlichkeiten, und bei uns im Norden kriege ich die nirgends. Darum war der Serviettenknödel für mich ausschlaggebend für meine Bestellung.

Und dann diese Enttäuschung. Das konnte dann auch die phänomenale Soße nicht retten.

Die Grammeln

Lasst euch noch einmal kurz daran erinnern, dass ich keinen Plan hatte, was »Grammeln« sind. Mangels Internetempfang konnte ich auch nicht vor Ort nachschauen. Meinte das vielleicht tatsächlich die Petersilie?

Nun: nein.

Grammeln haben nichts mit Petersilie zu tun. Die gute, alte Petersilie heißt auf Österreichisch übrigens »Petersil« und ist überraschenderweise männlichen Geschlechts, also »der Petersil«. Da klappt dem Gastronator aus dem dialektfreien Hochdeutschland doch vor lauter regionaler Besonderheit glatt das Kinn in die leckere Bratensoße.

Dieses sprachliche Zuckerl konnte ich jetzt, wo ich im Hotel sitze und diesen Text schreibe, im Internet in Erfahrung bringen.

Und bei der gleichen Gelegenheit habe ich mal nach »Grammeln« geschaut. Aha! Da wo ich herkomme, sind das »Grieben«. Sie entstehen, wenn roher Schweinespeck in kleine Würfel geschnitten und gaaaaaanz langsam erhitzt wird, sodass das Fett ausläuft und nur die knusprigen Rückstände übrig bleiben. (Und wie die knuspern!)

Diese Grammeln waren als eine Art Topping über das ganze Gericht gestreut, so wie Croutons über einen überteuerten Salat. Sie knusperten unwirklich gut, und das, obwohl sie die ganze Zeit über in der Soße lagen und eigentlich hätten weich werden müssen. Das ist doch schon wieder ein Zeichen einer exzellenten Küche.

Die Grammeln retteten tatsächlich die ganze Pfanne. Denn immer mal wieder, wenn ich eine Gabel voll mit irgendwas nahm, überraschte mich die Knusprizität eines kleinen Speckwürfels, der sich irgendwo reingemogelt hatte – in das Kraut oder auf ein Stück Fleisch, und mit ein paar Grammeln wurden sogar die Knödel erträglich.

Die schiere Menge und ein Fazit

Die Masse an Nahrung, die vor mir in dieser Pfanne lag, hat mich komplett überwältigt. Drei Stück Fleisch, eine recht großzügige Portion Kraut und die Serviettenknödel als Sättigungskomponente, dazu die reichhaltige Soße und auch noch die Grammeln – etwas mehr als zwei Drittel der Portion habe ich geschafft, dann musste ich aufgeben. (Ich gebe aber mal vorsichtshalber dem gehackten Petersil die Schuld dafür, dass ich nicht aufessen konnte.) Der Preis für den Schweinsbraten liegt bei 19,90 Euro – das Preisleistungsverhältnis ist, bezogen auf die Portionsgröße, der Hammer.

Aber lieber wäre mir offen gesagt eine kleinere Portion mit klarer definierten Komponenten, die ich dann auch differenziert schmecken und separat genießen kann.

Liebes »Stöckl im Park«, ich glaube, dass ich diesem Gericht heute Abend eine Schulnote 2 (mit Fleißbienchen!) hätte geben können, wenn ihr es mir einfach auf einem Teller serviert hättet, statt es in dieser unfassbar leckeren Soße zu ersaufen. Rustikaler Schick solcher Pfannenpräsentationen hin und her, aber wenn alles einheitlich nach Soße schmeckt, ganz egal, wie gut sie ist, bleibt die Gaumenfreude echt auf der Strecke. Und das ist schade. Denn wie ich oben mehrfach angemerkt habe – ich konnte es fühlen, wie gut ihr in Wahrheit kochen könnt.

Naja, bis auf den Knödel. Bei dem ist irgendwas furchtbar schiefgegangen.

So komme ich für dieses Gericht leider, leider nur auf eine 4 (immerhin auch mit Fleißbienchen).

Das gute Ende kommt zum Schluss

Natürlich gab’s noch einen Nachtisch. Ein Eis (mit Schlagsahne? WTF, Christian! Wir sind hier doch nicht in Hochdeutschland!) für den Sohn, die Schwägerin und den Schwiegervater, ein Kleiner Brauner für mich.

Ein Kleiner Brauner, wie er in Wien serviert wird.
Ein Kleiner Brauner, wie er in Wien serviert wird.

Ein Kleiner Brauner ist eine klassische Wiener Kaffeespezialität.

Er besteht aus einem Mokka (in Österreich versteht man darunter einen dem Espresso nicht unähnlichen Kaffee, der aber mit längerer Extraktionszeit und geringerem Druck als ein echter italienischer Espresso zubereitet wird) und wird mit einem Schuss Milch oder auch Schlagobers serviert (also Sahne – für all jene, die es noch immer nicht kapiert haben. Looking at you, Christian!). Der Name »Brauner« leitet sich übrigens von der Färbung ab, die der Kaffee durch die Milch oder den Schlagobers erhält.

Die Milch (oder der Obers) wird üblicherweise in einem kleinen Kännchen dazu gereicht, damit man die gewünschte Menge selbst hinzufügen kann, so natürlich auch im »Stöckl«. Ich habe, gierig wie ich nun mal bin, die komplette Milch hineingegeben. Sie war heiß und ein bisschen aufgeschäumt.

Und so kam ich zum besten Kaffee, den ich seit Langem getrunken habe.

Ein versöhnliches Ende also im »Stöckl« für mich.

Mit diesem Bericht habe ich diesen Blog nach 13 langen Jahren reaktiviert. Unglaublich.